
Fit für das Internet
Prävention ist der beste Schutz – auch beim Thema digitale Medien. Der Kinderschutzbund setzt sich dafür ein, dass Kinder und Jugendliche Zugang zu digitalen Angeboten erhalten, ihre Rechte auch im digitalen Raum eingehalten werden und sie vor Gefahren im Netz geschützt werden.
Schon Kleinkinder sehen heute ganz selbstverständlich Sendungen über Streamingdienste, 70 % der Kinder zwischen sechs und 13 Jahren nutzen das Internet und Kinder und Jugendliche zwischen zwölf und 19 Jahren sind zu 95% im Netz aktiv, wie die aktuellen KIM- und JIM-Studien zeigen. Dementsprechend groß ist der Bedarf an Angeboten, die Kinder im Umgang mit digitalen Medien und dem Internet fit machen und sie gleichzeitig vor Gefahren schützen. Viele Eltern und Bildungseinrichtungen sind damit überfordert, oder die Zeit und Kapazitäten reichen nicht aus. Der Kinderschutzbund bietet Unterstützung und Beratung – wie die Beispiele aus den folgenden Projekten zeigen.

#Kinderrechte digital leben! – ein Projekt des Kinderschutzbund Landesverbandes Thüringen e.V.
„Ich möchte jetzt auch ein eigenes Smartphone!“ – Diesen Wunsch äußern viele Kinder bereits im Grundschulalter. Es bietet den Kindern mehr Teilhabe am digitalen Raum, zum Beispiel durch Chatten mit Gleichaltrigen, digitale Spiele, Videos schauen oder das sich Ausprobieren im Internet. Ein Smartphone entspricht ihrem Wunsch nach mehr Freiräumen und Selbstständigkeit. Eltern und Erziehungsberechtigte sehen den Wunsch meist kritisch: Das Kind sei noch zu jung, habe noch nicht ausreichend Kompetenzen im Bereich digitale Medien und könne die Gefahren im Internet noch nicht richtig einschätzen. Was nun?
Wichtig ist: Kinder haben ein Recht auf digitale Teilhabe und Förderung ihrer Medienkompetenz. Wir bieten daher Workshops, Fortbildungen und Vorträge für 8 bis 12-Jährige, Eltern und pädagogische Fachkräfte an. Die Themen sind dabei vielfältig: von der Findung von Regeln für die Mediennutzung oder den Klassenchat bis hin zu Cybermobbing oder Datenschutz, alles steht im Zusammenhang mit den Kinderrechten im digitalen Raum. Wir setzen uns dafür ein, dass Kinder in allen sie betreffenden Entscheidungen mit einbezogen werden und ihr Wissen um ihre Lebenswelt – in unserem Fall (digitale) Medien – als bedeutsame Expertise berücksichtigt wird. Die These, dass Beteiligung von klein auf gelernt werden muss, ist für uns handlungsleitend.
Darum sind die medienbezogenen Aushandlungsprozesse ein Schwerpunkt in unserer Arbeit, wobei immer die Trias aus Schutz-, Förder- und Teilhaberechten im Fokus steht. Denn den demokratischen Umgang mit Medienregeln und die Beachtung der Kinderrechte sehen wir in der Praxis nicht immer gegeben. Ob Durchsuchen von Chatverläufen, GPS-Tracking ohne das Wissen des eigenen Kindes oder Sharenting, also das Teilen von Kinderfotos im Netz – Kinder erleben mitunter tiefe Eingriffe in ihre Persönlichkeitsrechte durch ihre Erziehungsberechtigten. In unseren Veranstaltungen sensibilisieren wir Erwachsene dazu und regen Sie an, die Perspektive der Kinder einzunehmen und eigene Ansichten zu reflektieren.
Kinder wünschen sich mehr Mitsprache und weniger Überwachung durch ihre Erziehungsberechtigten. Außerdem stören sie sich an übermäßiger und unangemessener Werbung und Kostenfallen und wünschen sich, dass das Internet mehr kostenfreie, kindgerechte Angebote für sie bereithält. Die Sorgen, Wünsche und Gedanken von Kindern zu ihren Rechten im digitalen Raum sind mit ihrem Einverständnis und anonymisiert festgehalten. Die sogenannten „Kinderstimmen“ sowie weiteres im Projekt entstandenes Material ist kostenfrei zum Download auf unserer Webseite verfügbar.
Clara von der Heydt, Nathalie Scheer, Projekt #Kinderrechte digital leben!,
Kinderschutzbund Landesverband Thüringen e.V.


Medienlöwen Medientraining® – ein Projekt des Kinderschutzbund Landesverbandes Bayern e.V.
„Zocken, YouTube und mit Freunden schreiben, mache ich am liebsten.“ „Mich stört, dass meine Eltern ständig am Handy sind.“ „Mich nervt am meisten die Werbung!“ So oder ähnlich äußern sich Schüler*innen bei den Medienlöwen Medientrainings® an Schulen in Bayern. Ziel der Medienlöwen Medientrainings® ist es, Kinder und Jugendliche an einen reflektierten Umgang mit Medien heranzuführen. Unter dem Motto „Wir machen Euch stark wie Löwen mit Medien“ steht der Spaß und die Kompetenzvermittlung an erster Stelle. Darüber hinaus soll Kindern und Jugendlichen ihre Verantwortung für ihr Handeln im Internet bewusst und ihnen mögliche Gefahren gezeigt werden. Je besser Kinder und Jugendliche Bescheid wissen, desto selbstbewusster und aufmerksamer können sie mit dem Internet und den Sozialen Medien umgehen und in kritischen Situationen angemessen reagieren.
In 90-minütigen Workshops reflektieren Schüler*innen der 3. bis 7. Jahrgangsstufe aller Schularten ihre eigene Mediennutzung, ihr Medienverhalten und erleben anhand vielfältiger Methoden, welche Regeln im „grenzenlosen“ Internet gelten und wie sie sich vor unangenehmen Dingen schützen können.
In Grundschulen werden Grundregeln für den Umgang mit Handy und Internet besprochen. Die Schüler*innen werden dafür sensibilisiert, dass nicht alles, was im Internet möglich ist, auch erlaubt ist. Spielerisch erfahren die Kinder, wie sie mit Werbung oder Gewinnspielen umgehen, sich vor Abo-Fallen oder Viren schützen, wie ein gutes Passwort aussieht und welche Bilder sie für ein Schulreferat verwenden, nicht aber wieder online stellen dürfen. Sie lernen, welche (persönlichen) Daten sie nicht preisgeben sollten und was sich hinter Begriffen wie AGB oder USK verbirgt. Auch der Umgang mit Kettenbriefen und Nachrichten in Whats-
App oder Spielechats ist regelmäßig Thema. Was mache ich, wenn ich unangenehme Dinge sehe oder geschickt bekomme? An wen kann ich mich wenden? Wie funktioniert das mit dem Melden und Blockieren? Die gesundheitlichen Nachteile intensiver Mediennutzung wie Sucht, mögliche gesundheitliche Folgen und dass ungestörter nächtlicher Schlaf sehr wichtig ist, werden ebenfalls angesprochen.
In höheren Jahrgangsstufen werden die Medienlöwen oft angefragt, weil es Probleme im Klassenchat oder über andere soziale Netzwerke gibt. Hier behandeln wir Themen wie „Verletzendes Online-Verhalten“, „Cybermobbing“ oder „Mach dein Handy nicht zur Waffe“. In diesen Einheiten wird unter Einbezug der Gefühlsebene das System Cybermobbing (Täter – Betroffener – Mitläufer) näher beleuchtet. Im Fokus steht dabei die Eigenverantwortung jedes Jugendlichen. Ihnen soll bewusstwerden, dass die Grenze Spaß/Beleidigung zwar individuell wahrgenommen wird, es aber auch Gesetze gibt, die vor Beleidigungen schützen beziehungsweise diese bestrafen. Gemeinsam wird überlegt, was jede*r Einzelne tun kann, um Betroffenen zu helfen und was Jugendliche brauchen, um sich in sozialen Netzwerken wohlzufühlen.
Die Inhalte des Trainings können vorab in Absprache mit der Lehrkraft beziehungsweise Schulsozialarbeit individuell auf die jeweilige Klassensituation angepasst werden. Das Projekt bezieht auch die Lehrkräfte sowie die Eltern durch Elternabende mit ein.
Die Medienlöwen sind an vier Standorten in München, Rosenheim, Erlangen und Bad Windsheim aktiv. Seit 2009 erhielten mehr als 13.000 Schüler*innen in über 800 Workshops das Medienlöwen Medientraining®.
kinderschutzbund-bayern.de/medienloewen-muenchner-medientraining
Daniela Riedel, Fachbereich Medienkompetenz, Kinderschutzbund Landesverband Bayern e.V.


Safe im Recht – die Jugendrechtsberatung des Kinderschutzbund Bezirksverbandes Frankfurt am Main e.V.
„Ich habe mit meinem Freund Schluss gemacht. Jetzt ist er sauer und hat intime Bilder von mir, die nur für ihn gedacht waren, an seine Freunde weitergeleitet. Mir ist das so unglaublich peinlich und ich schäme mich total. Ich mag nicht mehr in die Schule gehen und ich hab solche Angst, dass meine Eltern das rausfinden. Ich kann mit niemandem reden…“
Junge Menschen mit Problemen wie diesem melden sich häufig in der Chatberatung von Safe im Recht. Dort begegnen uns viele Grenz- und Rechtsverletzungen, denen junge Menschen täglich ausgesetzt sind. Safe im Recht ist ein Angebot des Kinderschutzbundes Frankfurt. Zwei hauptamtliche Fachkräfte und 30 Ehrenamtliche setzen sich für die Sicherung der Kinderrechte im Internet ein. Wir stehen jungen Menschen bei Cybermobbing, Bloßstellung, Belästigung, Bedrohung, (bildbasierter) sexualisierter Gewalt und Hate Speech im digitalen Raum online beratend zur Seite. Unsere Chatberatung für Kinder und Jugendliche bis 21 Jahre ist an drei Tagen in der Woche per WhatsApp oder Webchat direkt über unsere Homepage erreichbar. Wir beraten vertraulich und kostenfrei, und betreuen im Schnitt über 90 Anfragen im Monat.
Ein Vorteil der Chatberatung ist die Niedrigschwelligkeit. Belasteten jungen Menschen fällt es leichter, sich anonym zu öffnen und aufzuschreiben, was ihnen passiert ist. Unsere Berater*innen sind darin geschult, sensibel und empathisch auf die Betroffenen einzugehen. Jede Form von Victim Blaming, also der Schuldzuweisung an die Betroffenen, wird von uns abgelehnt. Sätze wie: „Man weiß doch, dass man keine Nacktbilder verschicken sollte, das Internet vergisst nie“ sind unangebracht, begegnen den Betroffenen leider aber häufig, sowohl von Erwachsenen als auch aus der Peer Group.
Unsere Beratung ist auf den Einzelfall ausgerichtet. Der weitere Weg hängt immer von den Umständen ab, in denen sich die*der Ratsuchende gerade befindet. Wir informieren über juristische Möglichkeiten sich zur Wehr zu setzen und helfen Betroffenen zu erkennen, dass sie nicht nur hilflos und ohnmächtig sind, sondern wieder handlungsfähig: Neben einer Anzeige bei Polizei oder Staatsanwaltschaft, ist auch eine zivilrechtliche Unterlassungserklärung denkbar und für manche ein zielführender Weg. Unabhängig davon, ob und wie die Betroffenen weiter vorgehen wollen, raten wir immer dazu, Beweise zu sichern und zum Beispiel von Chatverläufen rechtssichere Screenshots zu machen.
In der Beratung ist es uns wichtig, gemeinsam mit den Ratsuchenden über Vertrauenspersonen zu sprechen, die sie in ihrem weiteren Vorgehen stützen können. Wir setzen uns dafür ein, dass sich die Betroffenen nicht schamvoll verkriechen und alleingelassen fühlen, sondern in ihrem Umfeld Verständnis und Unterstützung erfahren.
Safe im Recht begegnet digitaler Gewalt im Netz auch präventiv. Wir bieten verschiedene Informationsformate für Kinder und Jugendliche, für Fachpersonen, Lehrende oder Betreuer*innen, Trainer*innen und Jugendinstitutionen an und führen Workshops zu Digitaler Gewalt, Rechtsverletzungen im Netz und deren juristischen Konsequenzen an Frankfurter Schulen durch. Safe im Recht berät auch diejenigen jungen Menschen, die im Internet Grenzen verletzen und Rechte übertreten, denn auch sie brauchen Beratung und Unterstützung.
safe-im-recht.de
@safeimrecht
@safeimrecht
Valentina Lauer, Angebotsleitung Safe im Recht, Der Kinderschutzbund Bezirksverband Frankfurt am Main e.V.


Online-Extra
Desinformation, Verschwörungstheorien und Fake News: Dr. Philip Karsch, Medienpädagoge und Vertretungsprofessor an der Philipps-Universität Marburg beantwortet, wie Kinder seriöse Quellen erkennen und von zweifelhaften Informationen unterscheiden können. Sie finden das Interview unter: