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Schwerpunkt

Reform des Unterhaltsrechts

Die Interessen der Kinder müssen im Mittelpunkt stehen

Das derzeitige Unterhaltsrecht hat mit veränderten gesellschaftlichen Realitäten und Ansprüchen in vielerlei Hinsicht nicht Schritt gehalten. Denn wie Familien zusammengesetzt sind und miteinander leben, ist heute vielfältig. Justizminister Marco Buschmann hat jüngst Eckpunkte für eine Reform des Unterhaltsrechts vorgelegt. Der Kinderschutzbund begrüßt es ausdrücklich, die Familien in ihrer Pluralität auch im Unterhaltsrecht stärker zu berücksichtigen.

Das „klassische“ und weiterhin in den meisten Trennungsfamilien gelebte Modell ist das sogenannte „Residenzmodell“, bei dem das Kind nach einer Trennung ausschließlich oder überwiegend bei einem Elternteil lebt. Im Gegensatz dazu gibt es zunehmend das paritätische Wechselmodell, bei dem beide Elternteile das Kind paritätisch, also jeweils zu 50 % betreuen. Für beide Modelle gibt es klare rechtliche Regelungen zum Kindesunterhalt. Im Fokus der Reform steht jetzt das sogenannte „asymmetrische Wechselmodell“. Die anderen Modelle, in denen Trennungsfamilien leben, werden durch die aktuellen Vorschläge kaum berührt.

Residenzmodell

In Deutschland leben Familien nach einer Trennung am häufigsten im Residenzmodell. Die Kinder wohnen hauptsächlich bei einem Elternteil – überwiegend bei der Mutter – und haben dort ihren Lebensmittelpunkt.  Den anderen Elternteil besuchen die Kinder zu festgelegten Zeiten, zum Beispiel an jedem zweiten Wochenende und in Teilen der Schulferien. 

Im Residenzmodell muss der Elternteil, bei dem das Kind nur sporadisch ist, Kindesunterhalt (sogenannten Barunterhalt) zahlen, damit das Kind finanziell abgesichert ist und am Lebensstandard des nicht betreuenden Elternteils teilhaben kann. Die Höhe des Unterhaltes hängt vom Einkommen des barunterhaltspflichten Elternteils ab und wird über die sogenannte „Düsseldorfer Tabelle“ ermittelt. Der überwiegend betreuende Elternteil erfüllt seine Pflichten dem Kind gegenüber durch die Betreuung (sogenannter Betreuungsunterhalt). 

Mittlerweile gibt es eine wachsende Gruppe an Eltern, deren Betreuungsmodelle weder dem einen noch dem anderen „Grundtypus“ entsprechen. Das Kind wohnt dann überwiegend bei einem Elternteil, ist aber auch regelmäßig und in relevanten Zeiträumen beim anderen Elternteil – zum Beispiel in einer Betreuungsaufteilung von 60:40. Zu solchen „asymmetrischen Modellen“ hält das Unterhaltsrecht bisher keine klaren und eindeutigen Regelungen zum finanziellen Lastenausgleich vor und es gibt nur einen Flickenteppich an komplexer Rechtsprechung. Hier soll die Reform des Justizministeriums greifen und für Familien, die ein asymmetrisches Modell leben, verständliche, „gerechte“ und klare Regeln schaffen. Kernidee der Reformvorschläge ist dabei, dass der Unterhaltsanspruch am überwiegenden Wohnort um rund 15 % gekürzt werden soll, wenn der Betreuungsumfang des zweiten Elternteils zwischen 30-49 % liegt. Gemessen werden soll die Betreuungsverteilung an der Zahl der Übernachtungen beim jeweiligen Elternteil. Dadurch soll eine zunehmend partnerschaftliche Betreuung im Sinne des Kindeswohl gefördert werden.

Der Kinderschutzbund begrüßt es, wenn beide Eltern auch nach einer Trennung Verantwortung für ihr Kind übernehmen und nicht nur monetär, sondern auch ganz konkret für ihr Kind da sind und so viel Zeit wie möglich mit ihm verbringen. 

Der Schwerpunkt der Reform muss und darf sich aber nur an den Bedarfen und Interessen der Kinder ausrichten. Das „faire“ Unterhaltsrecht – wie der Bundesminister es betitelt – soll jedoch augenscheinlich vor allem finanzielle Fairness zwischen den Elternteilen herstellen. Die Interessen der Kinder rücken bei der Frage, wer was bezahlt, leider schon in diesem frühen Reformstadium zu sehr in den Hintergrund.

Paritätisches Wechselmodell

Beim paritätischen Wechselmodell leben die Kinder abwechselnd bei beiden Elternteilen – zum Beispiel wochen-, tages- oder monatsweise. Die getrenntlebenden Eltern teilen sich die Betreuung und Erziehung zu genau gleichen Teilen (paritätisch). Für das Wechselmodell ist es günstig, wenn die Eltern möglichst kooperationsfähig sind und die beiden Wohnorte nicht zu weit auseinanderliegen, damit die außerfamiliären sozialen Beziehungen für das Kind bestehen bleiben.

Im paritätischen Wechselmodell sind beide Eltern entsprechend ihrer Einkommen unterhaltspflichtig. Die Unterhaltsansprüche werden gegengerechnet, um dem Kind das Mittel aus den Lebensstandards beider Eltern zu gewährleisten.

Asymmetrisches Wechselmodell

Unter dem asymmetrischen Wechselmodell versteht man Mischformen aus Residenz- und paritätischem Wechselmodell. Die Kinder leben dabei abwechselnd in den Haushalten beider Eltern, jedoch eben nicht genau paritätisch. Vielmehr haben sie einen Haushalt, in dem sie schwerpunktmäßig wohnen, sind darüber hinaus aber nicht nur sporadisch beim andern Elternteil. 

Für das asymmetrische Wechselmodell gibt es aktuell noch keine Regelung, wer wieviel Unterhalt zahlen muss. Das muss derzeit zwischen den Eltern ausgehandelt werden. Gerichtlich wurden bereits einige Fälle verhandelt, die in der Regel von einer Unterhaltspflicht analog zum Residenzmodell ausgingen. Je nach Umfang der Betreuung wurde die Höhe der zu zahlenden Summe im Einzelfall reduziert.

Grundsätzlich muss bei einer Neuregelung des Unterhaltsrechts mindestens sichergestellt sein, dass Kinder von getrenntlebenden Eltern materiell in beiden Haushalten gut abgesichert sind. Die einfache Rechnung, je häufiger das Kind vom anderen Elternteil betreut wird, desto geringer der Unterhaltsanspruch, sieht der Kinderschutzbund deshalb kritisch. Der Unterhalt ist keine Bezahlung an Eltern für den Betreuungsaufwand des Kindes, sondern dient dem Erhalt des Lebensstandards des Kindes – egal, wo es lebt. Ein einfacheres Rechenmodell mag nachvollziehbar und umsetzbar sein – tragfähig wird es aber nur dann, wenn einerseits eindeutig ist, wer die Winterjacke oder die Schulmaterialen bezahlt, und andererseits die gewählten Summen auch den entstehenden Kosten des gewählten Betreuungsmodells entsprechen. 
Daneben sind die Umgangsregelungen in Trennungsfamilien ohnehin oft strittig und sollten nicht zusätzlich mit Konfliktpotential aufgeladen werden, weil daran unmittelbar finanzielle Belange des Unterhalts geknüpft werden. Während das „Feilschen“ um Übernachtungen und Besuche auch bisher komplex und oft emotional beladen war, könnte sich dies durch eine engere Kopplung an Unterhaltsleistungen noch weiter verschärfen. Es wird unbedingt nötig sein, dass die Wünsche und Bedürfnisse der Kinder nach Umgang dann noch angemessen ermittelt werden. Umgang und Betreuungskonstellation sollten sich explizit an dem Wunsch der Kinder und nicht an der Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit der Eltern ausrichten. Insbesondere Verfahrensbeistände und Familiengerichte müssen diese Problematik im Blick behalten und auch das Gesetz muss dafür gute Instrumente schaffen. 

Nicht nur gut gemeint, sondern auch gut gemacht ist also eine Unterhaltsreform, die für das Kind fair ist – also seine Absicherung und seine Interessen in den Vordergrund stellt und nicht zusätzliche Konflikte verursacht, die auf dem Rücken des Kindes ausgetragen werden. Dies muss wichtigster Kompass des Justizministeriums und Parlaments sein. Der Kinderschutzbund wird sehr gut darauf achten, dass diese Reform im Sinne der Kinder erfolgt. 

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Nestmodell

Beim Nestmodell bleiben die Kinder in der ehemaligen Familienwohnung, dem Nest. Die Elternteile leben abwechselnd bei den Kindern und versorgen und betreuen sie. Zusätzlich benötigen beide Elternteile eigene Unterkünfte oder eine zweite ebenfalls geteilte Wohnung. Nicht die Kinder, sondern die Eltern wechseln regelmäßig die Wohnung. Da das Modell mit hohen Kosten für die verschiedenen Wohnungen verbunden ist, ist es für viele Familien nicht umsetzbar und wird nur selten gelebt. 

Beim Nestmodell handelt es sich in der Regel um eine Form des paritätischen Residenzmodells, sodass die gleichen Unterhaltsregelungen Anwendung finden.

Unterhaltsvorschuss

In vielen Trennungsfamilien wird leider kein, zu wenig oder unregelmäßig Kindesunterhalt gezahlt. Als Ausfall- und Ersatzleistung dafür gibt es für Alleinerziehende den sogenannten Unterhaltsvorschuss, der je nach Alter des Kindes aktuell zwischen 187€ und 338 € monatlich beträgt. 

Weitere Informationen:  

www.bmfsfj.de/…/unterhaltsvorschuss-73558


Ausgabe 23-4

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Trennung und Scheidung

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