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Kinder- und Jugendpolitik

Kindergesundheit stärken

Vor einigen Monaten erregte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte mit einer Forderung Aufsehen, die den überlasteten Kindernotdiensten Erleichterung verschaffen sollte. Eltern, die ihr Kind in einem kinderärztlichen Notdienst vorstellten, obwohl es sich nicht um einen akuten Notfall handelte, sollten künftig an Behandlungskosten beteiligt werden. 

Thomas Fischbach hat damit auf ein drängendes Problem hingewiesen, aus Sicht des Kinderschutzbundes aber die falschen Schlussfolgerungen gezogen. 

Die kinderärztliche Versorgung steht unter Druck. Das betrifft aber nicht nur die Notdienstversorgung. Eltern haben es in vielen Regionen Deutschlands schwer, überhaupt noch eine*n Kinderärzt*in zu finden. Und wenn sie eine Praxis finden, ist diese überlastet und Termine sind nur schwer zu bekommen. Der Mangel betrifft sowohl die ländlichen Räume als auch die urbanen Verdichtungsräume. Aus Sicht des Kinderschutzbundes ist eine niedrigschwellige und wohnortnahe pädiatrische Versorgung jedoch unabdingbar. 

Eine Kostenbeteiligung an der Notdienstversorgung wird dieses Problem nicht lindern. Insbesondere armutsbetroffene Eltern würden sich dann vielleicht gegen die ärztliche Versorgung ihres Kindes entscheiden, obwohl diese notwendig wäre. 

Der Kinderschutzbund hat deshalb gemeinsam mit der Stiftung Kindergesundheit, dem Deutschen Kinderhilfswerk und der Care-for-Rare Foundation die Kindergesundheitsagenda 2021+ entwickelt. Darin haben wir fünf Empfehlungen für eine bessere Kindergesundheit formuliert: 

Versorgungsstrukturen neu denken: Die Strukturen der Kindergesundheitsversorgung müssen ausgehend von den besonderen Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen überarbeitet werden, um ein spezifisches Kindergesundheitssystem zu schaffen.

Grundvoraussetzungen und Anreizsysteme für eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung schaffen: Wir brauchen Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene, um zusätzliche Pädiater*innen (auch mit Subspezialisierung), Therapeut*innen und spezialisierte Kinderpflegekräfte zu gewinnen. Solche Maßnahmen sind ebenso nötig, um die Forschung zur Verbesserung der Kindergesundheit zu stärken und um die Bedarfe für mehr innovative und geprüfte Kinder-Arzneimittel und -Medizinprodukte decken zu können.

Finanzierung zukunftsfähig gestalten: Das Recht auf ein erreichbares Höchstmaß an Gesundheit erfordert stabile Finanzierungsmodelle in der Kindergesundheit für eine bessere Versorgung, für einen niederschwelligen und gerechten Zugang für alle Kinder und Jugendlichen und für mehr Innovationen.

Prävention, Diagnostik und Therapie ganzheitlich betrachten: Kindgerechte Prävention, Diagnostik und Therapie gehen miteinander einher. Um die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu erhalten oder zu verbessern, braucht es mehr Prävention und eine bessere Gesundheitsförderung in allen Lebenswelten der Kinder und die gezielte Berücksichtigung von benachteiligten Gruppen.

Partizipation von Kindern und Jugendlichen ausbauen und Vertrauen gewinnen: Die Gesellschaft muss Kinder als eigenständige Akteur*innen und Rechtssubjekte wahr- und ernst nehmen. Daraus folgt zwingend eine stärkere Partizipation von Kindern und Jugendlichen und ihren Familien generell im Gesundheitssystem und speziell bei Therapieentscheidungen. Kindern und Jugendlichen muss die Gelegenheit zur Vernetzung gegeben werden, ihre Stimme muss gehört und respektiert werden.


Ausgabe 23-4

Schwerpunkt

Trennung und Scheidung

Politik und Praxis

Kinder- und Jugendpolitik

Kinderschutz vor Ort

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