Die Trennungs- und Scheidungskindergruppe ist eine Möglichkeit für Kinder, konstruktive und entwicklungsfördernde Wege aus der Krise zu finden. | Foto: KSB OV Stuttgart e.V.

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Meine Eltern sind getrennt

Wenn Eltern sich trennen, bricht für Kinder erst einmal eine Welt zusammen. In dieser Krisensituation kann es hilfreich sein, sich professionelle Hilfe zu suchen, damit Kinder mit ihren Sorgen und Ängsten nicht allein sind. Rat und Unterstützung erhalten Kinder, Jugendliche und ihre Eltern beim Kinderschutzbund. Annika Matthias, Geschäftsführerin und Beraterin von Trennungs- und Scheidungsfamilien vom Kinderschutzbund Ortsverband Stuttgart weiß, was Kinder am meisten belastet.

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Worüber machen sich Kinder, die gerade die Trennung ihrer Eltern miterleben, am meisten Sorgen?

ANNIKA MATTHIAS: Was Kinder nach einer Trennung am meisten bewegt, ist abhängig vom Alter der Kinder und von dem, was sie im Vorfeld erlebt haben. Es geht vielfach um praktische Dinge: Wo werde ich in Zukunft leben? Wann werde ich Mama oder Papa sehen? Werden wir genug Geld haben?

Wie reagieren Kinder auf die Trennung ihrer Eltern?

ANNIKA MATTHIAS: Viele Eltern berichten, dass die Kinder zunächst teilnahmslos sind, wenn die Eltern ihnen mitteilen, dass sie sich trennen. Die Botschaft ist für Kinder oft erst einmal ein Schock und schwer fassbar. Sie wollen wissen, was es für sie bedeuten wird, wenn die Eltern auseinander gehen. „Wo ist denn dann mein Playmobil-Schiff?“, fragte mich ein Junge kürzlich. Viele Kinder reagieren mit Trauer, Wut oder Angst und manchmal auch mit Erleichterung. 

Was hilft Kindern in der Trennungssituation?

ANNIKA MATTHIAS: Was für Kinder am wichtigsten ist, sind verlässliche, emphatische Eltern. Es tut den Kindern gut, wenn die Eltern einfach für das Kind da sind. Vielleicht ist es in dieser Situation in Ordnung zuzulassen, dass das Kind nachts wieder in das Elternbett kommt. Hilfreich kann auch das Umfeld sein: Großeltern, andere Verwandte oder Freund*innen können das Kind in Gesprächen oder mit gemeinsamen Unternehmungen unterstützen. Externe Angebote wie unsere Beratungsstelle können helfen, wenn Kinder sich zerrissen fühlen und mit den Eltern nicht reden können. Viele Kinder brauchen auf ihr Alter abgestimmte Informationen und das Wissen, wie es jetzt weitergehen kann.

Warum ist es wichtig, mit Kindern offen über die Trennung zu sprechen?

ANNIKA MATTHIAS: Kinder haben ein feines Gespür für Stimmungen und Gefühle. Sie bekommen mit, wenn Eltern sich häufig streiten und eine Trennung im Raum steht. Wird mit dem Kind nicht gesprochen, fehlen ihm Informationen. Das kann Ängste auslösen. Um diese Ängste zu vermeiden, sollten Eltern erklären, was los ist. Kindgerechte Informationen geben Sicherheit. 

Wie verhindert man, dass Kinder sich an der Trennung schuldig fühlen?

ANNIKA MATTHIAS: In unseren Kindergruppen sagen die Kinder oft „Wir sind nicht schuld an der Trennung unserer Eltern.“ Das zeigt uns, dass die Kinder dies im Kopf verstanden haben. Das Herz und die Gefühle sagen aber oft etwas anderes: Viele Kinder neigen dazu, die Schuld an der Trennung auf sich zu nehmen. Die Eltern sollten immer wieder erklären, dass das Kind niemals Schuld an der Trennung hat. Außerdem sollten sie vermeiden, Konflikte vor dem Kind auszutragen. 

Welche Angebote gibt es im Kinderschutzbund OV Stuttgart für Trennungsfamilien?

ANNIKA MATTHIAS: Für Eltern bieten wir eine kindorientierte Umgangsberatung an. Darin geht es um die Fragen: Wie sage ich es meinem Kind? Was kann ich tun, damit mein Kind lernt, mit der Trennung umzugehen? Wie können wir Eltern uns verhalten, um es dem Kind nicht noch schwerer zu machen? Für Kinder bieten wir eine Einzelbegleitung oder spielpädagogische und kunsttherapeutische Kindergruppen an. In der Gruppe erleben die Kinder, dass sie mit ihrer Situation nicht allein sind. Sie erhalten Informationen darüber, was bei einer Trennung passiert, und erfahren, dass Gefühle wie Angst, Traurigkeit oder Wut normal sind. In der Gruppe geht es auch um den Loyalitätskonflikt, in dem sich die Kinder befinden. Wir klären die Fragen: Wo befinde ich mich im Moment und wer bin ich eigentlich? Darüber hinaus beschäftigen sich die Kinder auch mit dem Loslassen. Denn obwohl fast jedes Kind den Wunsch hat, dass Mama und Papa wieder zusammenkommen – nur ohne Streit, müssen sie sich daran gewöhnen, dass dies nicht mehr eintreten wird. Für hochstrittige Familien bieten wir auch das Projekt „Kind im Zentrum“ an. Das Kind bekommt im Begleiteten Umgang eine eigene beratende Person an die Seite gestellt, damit seine Wünsche und Bedürfnisse im Fokus stehen. Wichtig ist es, den Eltern zu vermitteln, dass der starke Konflikt nur ein Teil der derzeitigen Familiensituation ist und es den Kinder guttut, auch andere Themen zu haben und mit dem Kind trotzdem eine möglichst schöne Zeit zu verbringen.

Wie gelingt es Eltern, weiterhin für ihr Kind da zu sein, auch wenn sie als Paar auseinandergehen?

ANNIKA MATTHIAS: Auch wenn die Paarbeziehung zu Ende ist, bleibt man Eltern. Die Liebe zum Partner ist vorbei, aber die Liebe zum Kind bleibt. In den meisten Fällen sind die Eltern sehr besorgt um ihr Kind und wollen beide nur das Beste. Eine externe Beratung kann sinnvoll sein, zum Beispiel um herauszufinden, welche Kommunikationsform zwischen den Eltern gerade geeignet ist und um sie in ihrer Belastungssituation zu begleiten. 

Welches Familienmodell eignet sich nach einer Trennung am besten?

ANNIKA MATTHIAS: Eltern fragen in der Beratung häufig, welches Familienmodell für sie infrage kommt. Wir erklären dann die Vor- und Nachteile von Residenz-, Wechsel- oder Nestmodell. Welches Modell für welche Familie geeignet ist, hängt stark davon ab, über welche finanziellen Möglichkeiten die Familie verfügt, wie weit die Wohnorte der Eltern voneinander entfernt liegen und wie die Betreuung vor der Trennung organisiert war. Auch das Alter des Kindes und sein Charakter spielen eine Rolle. In der Beratung einigen sich viele Eltern auf ein Gerüst, das dann erst einmal ausprobiert wird. Dass das nicht in Stein gemeißelt ist, sondern nachjustiert werden kann, nimmt Druck. Wichtig ist, dass sich das Modell an den Bedürfnissen des Kindes orientiert. 

Was geben Sie Eltern mit auf den Weg, denen eine Trennung bevorsteht?

ANNIKA MATTHIAS: Die Trennung der Eltern ist für jedes Kind eine Krise. Aber daraus muss nicht notwendigerweise ein Trauma für das Kind werden. Wenn Eltern möglichst gut kooperieren, für das Kind da sind, es ernst nehmen und auf seine Bedürfnisse eingehen, kann es eine Trennung gut überstehen und gestärkt aus der Krise hervorgehen.


Ausgabe 23-4

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