Foto: Stadt Frankfurt am Main/Jeannette Petri

Kinder- und Jugendpolitik

Vormundschaft reformiert

Seit Jahresbeginn gilt das neue Vormundschaftsrecht. Während einer Vormundschaft übernehmen Vormünder Verantwortung für Kinder und Jugendliche, ihre sogenannten Mündel. Der Kinderschutzbund bildet in einigen Ortsverbänden ehrenamtliche Vormünder aus. Was ändert sich für Kinder und Jugendliche, aber auch für Vormünder durch die Reform?

Was ist eine Vormundschaft?

Wenn Eltern nicht ausreichend für ihre Kinder sorgen können, wird ihnen im letzten Schritt die elterliche Sorge durch das Familiengericht entzogen und ein Vormund für das Kind eingesetzt. Für das Entziehen des Sorgerechts gibt es vielfältige Gründe: die Eltern vernachlässigen ihre Kinder, üben Gewalt gegen ihre Kinder aus oder sind verstorben. Bei den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen leben die Eltern im Ausland und können sich deshalb nicht um ihre Kinder kümmern.
Ein Vormund ist für das Kind rechtlich verantwortlich. Dabei steht das Wohl des Kindes an erster Stelle. Der Vormund trifft mit dem Kind gemeinsam alle wichtigen Entscheidungen und darf rechtlich bindend für das Kind agieren. Vormünder regeln zum Beispiel, wo das Kind lebt, wo es zur Schule geht, wie es ärztlich versorgt wird oder auch ob und wie Kinder ihre Eltern sehen. Um das tägliche Wohl im Alltag, vom Brote schmieren bis hin zur Hausaufgabenhilfe kümmern sich meistens andere Stellen wie Pflegeeltern, Wohngruppen oder andere Jugendhilfeeinrichtungen. In der Praxis wird die Vormundschaft optimalerweise unterschiedlich ausgestaltet, passend zu den vielfältigen Lebensgeschichten der Kinder.

Was ändert sich für ehrenamtliche Vormundschaften?

Vormundschaften können schon immer Ehrenamtliche, Vereine, Berufsvormünder oder Jugendämter (Amtsvormünder) übernehmen. Gesetzlich vorgesehen war es eigentlich, dass ehrenamtliche Vormünder vorrangig eingesetzt werden. Die Praxis sieht aber seit Langem anders aus. Einen Großteil der Vormundschaften übernehmen Amtsvormünder, die dann oft für bis zu 50 Kinder gleichzeitig verantwortlich sind. Das ist für viele Kinder kein guter Zustand.

Nun wurde das Vormundschaftsrecht umfangreich reformiert und insbesondere die Rolle der ehrenamtlichen Vormundschaften gestärkt. Das Jugendamt muss seine Entscheidung umfangreich darlegen und begründen, falls es keinen ehrenamtlichen Vormund für ein betroffenes Kind vorschlägt. Wenn bei einem Kind das Sorgerecht entzogen wird, soll zunächst ein vorläufiger Vormund eingesetzt werden, damit in der Zwischenzeit ein passender ehrenamtlicher Vormund gefunden werden kann. So soll sichergestellt werden, dass sich tatsächlich vorwiegend ehrenamtliche Vormünder um betroffene Kinder kümmern und die Jugendämter sich dafür mehr ins Zeug legen.

Was hält der Kinderschutzbund von der Reform?

Der Kinderschutzbund begrüßt die Reform in großen Teilen ausdrücklich, denn das bisherige Vormundschaftsrecht war stark veraltet und eine Reform mehr als notwendig. Die meisten Kinder sind bestmöglich versorgt, wenn sich ein ehrenamtlicher Vormund für sie einsetzt. Denn ehrenamtliche Vormünder haben keinen Dienstschluss. Sie kümmern sich regelmäßig um ein Mündel und nicht wie ein Amtsvormund um bis zu 50 Mündel. Vormünder nehmen die Kinder oft in ihren Freundes- oder Familienkreis mit auf und sind für sie im besten Fall eine stabile Bezugsperson, auch dann, wenn das Mündel später volljährig wird. Ehrenamtliche Vormünder brauchen gute fachliche Kenntnisse und Begleitung, um den oft belasteten Kindern gut zur Seite stehen zu können. Eine gute Begleitung ist zudem sehr wichtig, damit Vormünder nicht selbst überfordert werden. Dafür setzt sich der Kinderschutzbund schon sehr lange an seinen Standorten ein.

Welche Veränderungen gibt es noch?

Mit der Reform erhalten die Kinder mehr Rechte gegenüber ihrem Vormund. Altersabhängig dürfen Kinder zum Beispiel mitentscheiden, wer ihr Vormund wird. Der Wille des Kindes steht dabei nun an erste Stelle – und zwar gesetzlich festgeschrieben. Jugendliche ab 14 Jahren können die Auswahl ihres Vormundes jederzeit gerichtlich überprüfen lassen.

Auch die persönliche Verantwortung der Vormünder für ihre Mündel wird noch einmal verstärkt betont. Diese Neuerungen begrüßt der Kinderschutzbund ausdrücklich.

Wo erfahre ich mehr zum Thema?

Mehr zur aktuellen Reform und zu Vormundschaften erfahren Sie auf der Website des „Bundesforum Vormundschaften“. Informationen speziell zu Vormundschaften für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge finden Sie auf der Website des „Bundesfachverband unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge“ (BumF). 

vormundschaft.net

b-umf.de 

Wie kann ich mich selbst engagieren?

Der Kinderschutzbund ist in Sachen Vormundschaften zur Zeit vor allem in Frankfurt, Hamburg, Bochum, Warendorf, Marburg und im Hochtaunuskreis aktiv und freut sich über neue, interessierte Ehrenamtliche. Der Kinderschutzbund hofft, dass durch die Reform weitere Ortsverbände durch die Jugendämter vor Ort ermuntert und finanziert werden, um weitere Standorte zu eröffnen. Informieren Sie sich gerne bei ihrem Kinderschutzbund vor Ort. Denn eine ehrenamtliche Vormundschaft ist ein gewinnbringendes Engagement, sowohl für das Mündel als auch für den Vormund.  Sollte der Kinderschutzbund in ihrer Nähe selbst keine Möglichkeit anbieten, eine Vormundschaft zu übernehmen, ist ihr Jugendamt ein guter erster Ansprechpartner. Wichtig ist, dass Sie als ehrenamtlicher Vormund umfangreiche Unterstützung erhalten, um dieser wertvollen und spannenden Aufgabe gerecht werden zu können.

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge prekär untergebracht

Gemeinsam mit dem BumF, der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen und terre des hommes fordert der Kinderschutzbund in einem Appell an die Politik unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) und Fachkräfte nicht alleine zu lassen. Die Kinder brauchen unseren Schutz und eine gute Versorgung.
Eine angemessene, das Kindeswohl wahrende Aufnahme, Versorgung, Betreuung und Begleitung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ist derzeit an vielen Orten Deutschlands nicht mehr gewährleistet. Viele Kommunen sind mit der Versorgung und Unterbringung der jungen Geflüchteten überfordert. Einige Bundesländer reagierten auf den massiven Einrichtungs- und Personalmangel bereits mit Absenkung der im 8. Sozialgesetzbuch (SGB VIII) festgelegten Standards, die ausschließlich für die Arbeit mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen angewandt werden. Die aktuelle Situation ist ein hausgemachtes und strukturelles Problem der deutschen Jugendhilfepolitik im Umgang mit jungen Geflüchteten, das erneut auf den Schultern der jungen Geflüchteten ausgetragen wird und deren unabdingbare Rechte auf Schutz, Beteiligung und Förderung aus dem SGB VIII verletzt. Das muss sich dringend ändern! Der Appell ist nachzulesen unter: 

kinderschutzbund.de


Ausgabe 23-1

Schwerpunkt

Psychische Gewalt erkennen und vermeiden

Politik und Praxis

Kinder- und Jugendpolitik

Kinderschutz vor Ort

Mehr aus der DKSB-Praxis

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