Foto: Stadt Frankfurt am Main/Jeannette Petri

Politik und Praxis

Vormundschaft in Frankfurt

Sich stark machen für unbegleitete minderjährige Geflüchtete in Frankfurt

Abdul ist 16. Seit sechs Wochen lebt er in Frankfurt und hat eine große Reise hinter sich. Vor sieben Monaten ist er aus einem kleinen Ort in der Nähe von Kabul geflüchtet. Er ist über den Iran und die Türkei nach Europa gekommen, hat an den Grenzen zur EU das Zurückdrängen der Polizei überstanden, um in Frankfurt den Bruder seines ermordeten Vaters zu suchen. Nun wohnt er mit zwei anderen Geflüchteten in einem Zimmer in einer Notunterkunft, weil in Frankfurt alle Plätze in den Jugendhilfeeinrichtungen überfüllt sind. Auf der Flucht wurde er verprügelt, dabei wurde ihm die Nase gebrochen, die nun schief zusammengewachsen ist. Aber solange er keine Krankenkassenkarte hat, kann er nicht behandelt werden. Er hat keinen Schulplatz, weil man nur einen Platz bekommt, wenn man das behördliche Verfahren durchläuft. Ein Asylantrag muss gestellt werden, ein Sprachkurs organisiert, jemand müsste ihm mal die Stadt zeigen. Aber wer soll das alles mit ihm machen?

Abdul will eigentlich nur eines: Endlich ankommen. Er braucht einen sicheren Ort, den er sein Zuhause nennen kann. Er möchte zur Schule gehen, eine Zukunft haben. Aber die Sozialsysteme sind aktuell überfordert. Der Fachkräftemangel und die bürokratischen Hürden machen es jungen Geflüchteten wie Abdul unverhältnismäßig schwer.

An dieser Stelle kommen die ehrenamtlichen Vormünder des Kinderschutzbundes Frankfurt ins Spiel. Kinder und Jugendliche wie Abdul brauchen eine rechtliche Vertretung, die statt den Eltern alle wichtigen Entscheidungen fällt und behördliche Vorgänge in die Wege leitet. Eben einen Vormund. Amtsvormünder vom Jugendamt müssen bis zu 50 Mündel betreuen, da bleibt nicht viel Zeit für das einzelne Kind. Daher schult, begleitet und berät der Kinderschutzbund Frankfurt seit 10 Jahren interessierte Ehrenamtliche, die bereit sind, diese Verantwortung zu übernehmen. Die ehrenamtlichen Vormünder regeln nicht nur die rechtlichen Angelegenheiten, sie bieten den jungen Leuten auch eine ganz persönliche 1:1 Beziehung an. Neben Asylantrag und Schulanmeldung gehen sie mit ihnen Eis essen, Fahrrad fahren oder sie kochen gemeinsam. Im Gespräch und bei den gemeinsamen Aktivitäten können die Mündel ihre Bedürfnisse äußern und beteiligen sich an den Entscheidungen. 

Junge Geflüchtete wie Abdul nehmen dieses Angebot meist sehr gerne an. Die Vormünder sind oft die einzigen Erwachsenen in Deutschland, die sich rein aus Interesse mit ihnen beschäftigen, ohne dafür ein Gehalt zu bekommen. Aber das Engagement ist keine Einbahnstraße. Unsere Vormünder berichten immer wieder, wie sehr sie diese Aufgabe bereichert, wieviel sie über das fremde Land und seine Kultur, aber auch über Deutschland und seine Sozialsysteme lernen.

Brita Einecke, Angebotsleitung Ehrenamtliche Vormundschaften, Kinderschutzbund-Bezirksverband Frankfurt

Schulung für Einzelvormünder

Der Frankfurter Kinderschutzbund bereitet jedes Jahr ca. 30 interessierte Bürger*innen mit einer Schulung intensiv auf die Übernahme einer Einzelvormundschaft vor. Die Schulungseinheiten enthalten neben der Vermittlung der Aufgaben des Vormunds rechtliche, psychologische sowie pädagogische Aspekte der Vormundschaft. Die hauptamtlichen Angebotsleitungen stehen den ehrenamtlichen Vormündern jederzeit mit Rat und Tat zur Seite. Gruppenabende zu Vormundschaftsthemen und Kleingruppensupervision unterstützen die Vormünder bei der Erfüllung ihrer Aufgaben.


Ausgabe 23-1

Schwerpunkt

Psychische Gewalt erkennen und vermeiden

Politik und Praxis

Kinder- und Jugendpolitik

Kinderschutz vor Ort

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