Mit Bären gegen Gewalt
„Bärt & Bärta“ sind die Stars bei einem neuen gewaltpräventiven Projekt des Kölner Kinderschutzbundes. Es richtet sich an Grundschüler*innen.
Sie haben ein paar Kilo zu viel auf den Rippen, sind besonders haarig und flauschig – und ein echter Erfolgsgarant. „Bärt & Bärta“ sind zwei 35 Zentimeter große Bärenfiguren, die seit mehr als einem Jahr in Kölner Grundschulen gehen. Egal, ob Eltern, Lehrer*innen oder Schüler*innen, die Frage ist immer die Gleiche: „Was ist Gewalt?“ Meistens sind es die Kinder, die sofort eine Antwort parat haben: Gewalt ist zum Beispiel, „wenn ein Kind andere Kinder schlägt, beleidigt oder Mobbing (macht)“, sagt ein Schüler aus der Löwenklasse einer Kölner Grundschule. „Bärt & Bärta“ besuchen diesen Schüler gerade.
Hinter den Bärenfiguren verbergen sich zwei pädagogische Fachkräfte des Kölner Kinderschutzbundes: Maria Schlenkrich und Miguel Salgado. Sie verleihen den Bärenpuppen ihre Stimmen. Die Bären fragen, klären auf, machen manchmal Blödsinn und zeigen anschaulich, was Gewalt alles sein kann. Maria und Miguel arbeiten im Rahmen des gewaltpräventiven Projektes zeitgleich mit Lehrer*innen in der Klasse zusammen. „Meistens zeigen uns die Antworten deutlich, dass Gewalt im Alltag der Kinder häufiger vorhanden ist, als wir glauben.“, sagt Miguel Salgado. Viele Kinder haben von Beginn an ein breites Gewaltverständnis.

Während der sechs Unterrichtseinheiten schließen viele Kinder „Bärt & Bärta“ in ihr Herz. Vor „Bärt & Bärta“ fällt es Kindern leichter, ihre Gefühle oder Probleme offenzulegen und Hilfe anzunehmen. Das Feedback der Kinder lautet häufig: „Besonders ist, dass Bärt und Bärta immer dabei sind.“
Eltern und Lehrer ins Boot holen
Ein präventives Angebot an Schulen ist besonders wirksam, wenn es Lehrer*innen und Eltern einbezieht. „Bärt & Bärta“ wird durch drei Säulen getragen: die direkte Arbeit mit den Kindern, die intensive Kooperation mit der Schule und die aktive Einbeziehung der Eltern.

Alle drei Zielgruppen müssen mitmachen, damit das Projekt gelingen kann. Vor einem Besuch von „Bärt & Bärta“ in der Klasse gibt es einen aufklärenden Elternabend. Es ist sehr wichtig, zu zeigen, dass das Projekt vorbeugen soll. Denn viele Eltern haben Berührungsängste mit dem Thema Gewalt und reagieren sensibel, wenn man über Kinderschutz spricht. „Der Kinderschutzbund hat auch sein Image“ – hören die Fachkräfte des Kinderschutzbundes Köln häufig. „Bärt & Bärta“ erarbeiten ähnlich einfühlsam wie mit den Kindern auch mit den Eltern ihre Definition von Gewalt.
Diese knüpft häufig an die Lebenswelt der Eltern an. „Wenige Eltern nennen Beispiele aus der Familie. Häufiger werden Mobbing oder Gewalt im Netz als Definitionsbeispiel herangezogen“, bemerkt Maria Schlenkrich.
Das Herzstück: Die Einheiten in den Grundschulklassen
Nach einem erfolgreichen Elternabend besuchen „Bärt & Bärta“ sowie die pädagogischen Fachkräfte des Kinderschutzbundes Köln die Grundschulklassen sechs Mal. Jede Unterrichtseinheit hat ein anderes Schwerpunktthema. Während sich die ersten Einheiten um die Hintergründe von Gewalt, Emotionen und Strategien drehen, thematisieren die vierte und fünfte Unterrichtseinheit Grenzüberschreitungen (z.B. im digitalen Raum), Konflikte in der Familie und Trennung oder Scheidung der Eltern.

In der letzten Einheit wird mit den Kindern ein Sonnenkind gestaltet. Das Sonnenkind symbolisiert die Stärken des jeweiligen Kindes. In der Löwenklasse der Kölner Grundschule wurden die Sonnenkinder gerade den Eltern vorgestellt. Ein Schüler fand es besonders schön, dass jedes Kind ein Sonnenkind mit eigenen Stärken gemalt hat. Wichtig war ihm, dass jedes Kind besonders ist: „Egal, wie das Sonnenkind aussieht.“ Wenn „Bärt & Bärta“ zu Besuch kommen, helfen sie den Grundschüler*innen beim Erwerb von Kompetenzen und bieten ihre Hilfe an. Es werden viele eingängige Metaphern benutzt, wie „volle oder leere Akkus“, für den emotionalen Zustand eines Kindes oder Elternteils.
Die Kinder bekommen auch Gefühlssäckchen, um einen haptischen Zugang zu ihren Gefühlen zu bekommen. Die Gegenstände in den Säckchen können dabei rau, warm, kalt oder weich sein. Die Kinder erlernen darüber hinaus, gute und schlechte Geheimnisse auseinanderzuhalten. Sie werden sich ihrer Grenzen bewusst, setzen sich für ihre eigenen Grenzen ein und können sie artikulieren („Stopp sagen“, „Hilfe holen“, Vertrauensperson kennen).
„Bärt & Bärta sollte es als Schulfach geben!“
„Bärt & Bärta“ verabschieden sich mit einem gemeinsamen „Eltern-Kind-Nachmittag“ bei Tee und Keksen. Alle Beteiligten kommen dabei zusammen und sprechen über ihre Erfahrungen. Die Kinder stellen dabei auch ihr „Sonnenkind“ vor. In dieser Runde bekommen die Kölner Fachkräfte konkretes Feedback. Viele Kinder und Eltern wünschen sich, dass es „die Themen als Schulfach“ geben und jede Klasse „Zugang zu diesem tollen Projekt“ haben sollte.
Besonders wichtig sind den Kölner Fachkräften die Sprechstunden nach den Besuchen von „Bärt & Bärta“ in der Klasse. Maria und Miguel sind nach jeder Einheit noch eine gewisse Zeit am Standort ansprechbar. Viele Kinder öffnen sich dann und sprechen über Verletzungen (z.B. von anderen Kindern ausgelacht zu werden), arm zu sein und nicht in den Urlaub fahren zu können oder darüber, wie sie mit eigenen Emotionen umgehen. In einem Fall hat sich ein Kind in der Sprechstunde den Bären anvertraut, und berichtet, dass es Gewalt in der eigenen Familie erlebt hat. In Kooperation mit der Schule und dem Jugendamt konnte ihm geholfen werden – dabei immer an der Seite des Kindes: „Bärta“ – eine der Bärenfiguren des Projekts.
Jessica Schütz, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und Miguel Salgado, pädagogische Fachkraft, Kinderschutzbund Köln