In Ombudsstellen werden junge Menschen und ihre Familien vertraulich und kostenfrei beraten. | Foto: Vladimir Vladimirov/iStock

Schwerpunkt

Was ist Ombudschaft?

Ärger mit dem Jugendamt? Ombudsstellen informieren und beraten unabhängig bei Fragen, Sorgen oder Konflikten – auch beim Kinderschutzbund in Thüringen und Schleswig-Holstein.

Kinder und Jugendliche, die bei Pflegeeltern, in einem Heim oder in einer Wohngruppe leben oder zuhause durch eine Familienhilfe unterstützt werden, haben Anspruch auf Beratung durch eine Ombudsstelle. Viele Familien machen gute Erfahrungen mit der öffentlichen und freien Kinder- und Jugendhilfe. Aber manchmal gibt es auch Konflikte, oder Jugendämter oder Einrichtungen machen Fehler. Wenn Kinder und Jugendliche oder ihre Familien unabhängige Hilfe benötigen, oder sich beschweren möchten, aber nicht wissen, wie das geht, helfen Ombudsstellen.

Seit dem 10.06.2021 sind Ombudsstellen im § 9a SGB VIII im Kinder- und Jugendhilfegesetz verankert. Die Länder sind dafür verantwortlich, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit junge Menschen und ihre Familien geeignete ombudschaftliche Hilfe finden. Sie beraten alle Familien, die in Deutschland leben, niedrigschwellig und kostenfrei. 

Oft gibt es ein strukturelles Machtungleichgewicht zwischen den Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe, die sich mit den Strukturen und Möglichkeiten auskennen, und Kindern und Jugendlichen sowie ihren Familien, die emotional belastet sind und viele Regelungen kaum kennen. Lassen sich aufkommende Fragen oder Konflikte nicht mit dem Jugendamt oder der Einrichtung klären, sind externe und unabhängige Ombudsstellen für Kinder und Jugendliche und ihre Familien da. Dort werden sie vertraulich und auf Wunsch auch anonym beraten, über ihre Rechte in der Kinder- und Jugendhilfe informiert und bei Gesprächen begleitet.

Unabhängige Ombudsstellen in Deutschland haben sich in einem Bundesnetzwerk zusammengeschlossen:  ombudschaft-jugendhilfe.de/ombudsstellen

Der Kinderschutzbund ist Träger von Ombudsstellen, zum Beispiel in Thüringen und Schleswig-Holstein.

Dein Megafon – Unabhängige Beratungs- und Ombudsstelle der Jugendhilfe in Thüringen

„Die haben mich überhaupt nicht ernst genommen.“ – „Ich war so wütend, dass ich gar nicht antworten konnte.“ – „Ich konnte nicht sagen, was ich denke.“ – „Ich vertraue der Fachkraft nicht.“ – „Ich kann die Sprache noch nicht richtig, deshalb hört mir keiner zu.“ 

Seit Januar 2020 gibt es „Dein Megafon“ als ombudschaftliche Beratungsstelle in Thüringen. In der Ombudsstelle sind drei hauptamtliche Fachkräfte tätig, sowie mehrere ehrenamtliche engagierte Personen mit langjähriger Erfahrung in der Kinder- und Jugendhilfe. Dein Megafon informiert, berät und vermittelt in Konflikten mit öffentlichen oder freien Trägern der Jugendhilfe. „Oft erreichen uns Anrufe, in denen die Ratsuchenden sehr verzweifelt sind und nicht mehr weiterwissen. In diesen Momenten ist es unsere Aufgabe Ruhe reinzubringen und herauszufiltern, welches Anliegen die ratsuchende Person mitbringt“, sagt Anna-Maria Jakoby, Leiterin von Dein Megafon beim Kinderschutzbund Landesverband Thüringen. „Manchmal braucht es aber auch eine Art ‚Übersetzungsleistung‘. Junge Menschen und ihre Familien verstehen Entscheidungen, Hilfeplanprozesse oder Bescheide nicht. An dieser Stelle gehen wir zum Beispiel Abläufe oder auch Hilfeplanprotokolle gemeinsam durch, um sie besser nachvollziehen und die Handlungsoptionen der Ratsuchenden ableiten zu können“, beschreibt Anna-Maria Jakoby die Arbeit von Dein Megafon. Manchmal braucht es aber auch mehr. Da begleiten die Ombudspersonen die Ratsuchenden zu Krisen- oder Hilfeplangesprächen. 

Neben der individuellen Beratung umfasst die ombudschaftliche Beratung auch (fach-) politische Lobbyarbeit für eine bedarfsgerechte und adressat*innenorientierte Jugendhilfe und eine Sozialpolitik, die „positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien“ (§ 1, Abs. 3, Satz 4 SGB VIII) schafft. „Bei dieser Arbeit unterstützt uns unser multiprofessioneller Fachbeirat“, ergänzt Anna-Maria Jakoby: „Seine Mitglieder aus den unterschiedlichen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe bereichern uns mit ihrer Expertise und ermöglichen Dein Megafon einen umfassenden Blick, der die tägliche Beratungspraxis ergänzt“. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen die Beteiligungsrechte der jungen Menschen.

dein-megafon.de

Vertrauenshilfe – Beschwerdestelle in Schleswig-Holstein 

„Ich muss mir den Kloschlüssel vom Büro holen.“ – „Ich darf nur auf dem Flur mit meiner Familie telefonieren.“ – „Ich musste schon so oft die Heimeinrichtung wechseln.“ – „Ich fühle mich bei Hilfeplangesprächen über den Tisch gezogen.“ Dass Hilfe nicht ohne Vertrauen geht, haben Jugendliche erarbeitet – und so dem Angebot „Vertrauenshilfe“ des Kinderschutzbundes Schleswig-Holstein den Namen gegeben. 

Niemand will sich ungerecht behandelt oder gar ignoriert fühlen. Kindern und Jugendlichen aus der stationären Kinder- und Jugendhilfe geht das aber oft so. Dabei bedürfen sie aufgrund ihrer Erfahrungen eines besonderen Schutzes. Der ombudschaftliche Gedanke ist mehr als ein bloßes Recht auf Beschwerde. Vielmehr geht es darum, diese Kinder und Jugendlichen in ihren Rechten zu stärken. „Nur wer seine Rechte kennt, kann sich beschweren“, erklärt Michaela Beersiek, Koordinatorin Vertrauenshilfe beim Kinderschutzbund Landesverband Schleswig-Holstein. Die 2017 gestartete Vertrauenshilfe ist eine externe und unabhängige Beschwerdestelle für junge Menschen in der stationären Kinder- und Jugendhilfe sowie deren Sorgeberechtigte. Es gibt drei Regionalstellen in Heide, Rendsburg und Flensburg, die für die dortigen Einrichtungen Angebote wie Jugendworkshops bereithalten. Kinder und Jugendliche werden im Einzelfall beraten und in ihren Anliegen begleitet. „Wir wollen sie stark machen für Gespräche mit Behörden und Einrichtungen. Wir wollen sie empowern, sich ganz bewusst und ihren Rechten entsprechend für ihre eigenen Belange einzusetzen“, erläutert Michaela Beersiek. 

Beschwerdeverfahren auf internen und externen Wegen sollen den Schutz in Einrichtungen stärken. Das Angebot ist daher nicht einseitig auf die Betroffenen ausgerichtet. Den Fachkräften kommt eine besondere Bedeutung zu; sie müssen für das Thema Ombudschaft sensibilisiert werden. Das ist so wichtig, weil die betroffenen Minderjährigen mit Rechtsanspruch auf Leistungen vom Jugendamt als Leistungsträger sowie dem freien Träger der Jugendhilfe als Leistungserbringer abhängig und diesen unterlegen sind. Erstkontakte zum Angebot der Vertrauenshilfe werden überwiegend per WhatsApp-Kontakt angebahnt. 

vertrauenshilfe.de


Ausgabe 23-3

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