Schwerpunkt

Eine Chance Ruhe zu finden

In der Intensivwohngruppe „Trampolin“ des Kinderschutzbund Ortverbandes Dresden finden Kinder und Jugendliche, die aufgrund ihrer Symptomatik und ihrer biografischen Belastung eine besondere pädagogische Betreuung benötigen, ein Zuhause auf Zeit.

Die jungen Menschen, die in der Intensivwohngruppe „Trampolin“ (IWG) betreut werden, haben oft Einschneidendes erlebt: Gewalterfahrungen in oder außerhalb des familiären Umfeldes, Fluchterfahrungen oder psychische bzw. physische Erkrankungen der Jugendlichen oder ihrer Angehörigen. Die Kinder und Jugendlichen können dann zeitweise oder dauerhaft nicht in ihrer Herkunftsfamilie leben. Die Initiative zum Einzug erfolgt meist durch vorangegangene Gespräche zwischen dem Jugendamt und den Familien, teilweise werden aber auch Eltern oder Kinder selbst aktiv.

Für sieben junge Menschen ist die Intensivwohngruppe „Trampolin“ (IWG) ein Zuhause. Fünf Kinder ab 12 Jahren leben im großen Wohnbereich, dem sogenannten Regelbereich. In einem kleinen Wohnbereich, einer „Trainingswohnung“ leben zwei junge Menschen, die zwischen 16 und 19 Jahre alt sind, um das selbstständige Wohnen zu üben. 

„Wir nehmen die jungen Menschen nicht selten mit einer Vielzahl an persönlichen und individuellen Problemen auf und versuchen sie bestmöglich in die Gemeinschaft einzugliedern,“ sagt Silvio Illgen, Leiter der Intensivwohngruppe Trampolin: „Depressionen, auto- und fremdaggressives Verhalten, Suizidalität und Angsterkrankungen sind häufige Herausforderungen, denen wir uns im Alltag stellen.“

Foto: DKSB OV Dresden e.V.

Voraussetzung für die Aufnahme ist, dass die Bewohner*innen freiwillig und eigenmotiviert in die Intensivwohngruppe einziehen möchten. Für viele Kinder und Jugendliche ist der Umzug in die Einrichtung erst einmal entlastend und eine Chance, zur Ruhe zu kommen. Die multiplen Probleme der jungen Menschen werden dann oft nach einigen Tagen spürbar. Manche bleiben nur wenige Wochen, andere mehrere Jahre. Durchschnittlich beziehen die Kinder und Jugendlichen für 18-24 Monate ein Zimmer der IWG. 

Tägliche Herausforderungen

Im täglichen Umgang mit den jungen Menschen benötigen die Betreuer*innen „offene Ohren“ für alle Belange. Damit das gemeinsame Zusammenleben gelingt, werden die Kinder und Jugendlichen darin unterstützt, tolerant zu sein, Rücksicht auf andere zu nehmen oder auch Perspektiven anderer Menschen zu sehen. Sie bekommen Hilfe, um praktische und alltägliche Dinge im Alltag bewältigen zu können. Sie lernen Ordnung zu halten, sich um die eigene Körperhygiene zu kümmern oder Termine einzuhalten. Externe Termine wahrzunehmen, stellt oft eine große Herausforderung dar. 

Auch bei der Kommunikation mit Ämtern, Behörden und Ärzt*innen werden die Kinder und Jugendlichen unterstützt. Darüber hinaus vermitteln die Betreuer*innen zwischen den jungen Menschen und ihren Eltern. Die Zusammenarbeit mit den Eltern und auch anderen Menschen aus dem persönlichen Kontaktnetz des Jugendlichen ist für die Mitarbeitenden der IMG sehr wichtig.

24 Stunden pädagogisch betreut

Das multiprofessionelle Team der IWG besteht aus Sozialpädagog*innen, einer Psychologin, Erzieher*innen, Heilpädagog*innen und Erlebnispädagog*innen und hat den Anspruch, lebenswelt-, ressourcen- und lösungsorientiert zu agieren. Die Kinder und Jugendlichen werden rund um die Uhr und an allen Tagen des Jahres intensivpädagogisch betreut. Die jungen Menschen werden dabei ganzheitlich gesehen und ihre sozialen Beziehungen berücksichtigt. Durch eine konsequente, aber anpassungsbereite Haltung der Betreuer*innen, werden die Jugendlichen darin gefördert, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten. Intensivpädagogische, therapeutische und erlebnispädagogische Elemente werden dabei in den Alltagskontext transferiert und klient*innengerecht umgesetzt. 

Besonders komplexe Problemlagen und Krisensituationen werden teamintern bearbeitet, in Fallberatungen und bei Teamtagen sowie mit externer Unterstützung, etwa bei Supervisionen oder projektübergreifenden Fallberatungen.

Struktur hilft

Ein ganz „normaler“ (Schul-)Tag beginnt mit dem morgendlichen Wecken, je nach Schul- oder Arbeitsbeginn der Bewohner*innen. Ein gemeinsames Frühstück ist nur an den Wochenenden möglich. Wenn im Idealfall alle Jugendlichen in ihren Bildungseinrichtungen sind, nutzen die Betreuer*innen die Vormittage für die Vielzahl bürokratischer Anforderungen. Mittags empfangen sie die jungen Menschen zurück, kochen gemeinsam, fangen persönliche Sorgen auf und begleiten sie zu Terminen oder Freizeitaktivitäten. 

Die Jugendlichen übernehmen bestimmte Aufgaben in der Wohngruppe wie Tischdienst, Zimmer aufräumen, Wäsche waschen und für die Gruppe einkaufen. Eine Alltagsstruktur bietet den Jugendlichen Sicherheit und Stabilität.

Im Jahreskalender finden sich verschiedene Angebote für die Jugendlichen, etwa erlebnispädagogische Wochenenden, eine Ferienfahrt oder gemeinsame Ferienausflüge, aber auch beziehungsstärkende Events für die Familiensysteme. Das Team der IWG bietet Familienwochenenden in reizfremder Umgebung, möglichst in der Natur ohne WLAN-Empfang, oder gemeinsame Kochtage an. Diese Aktionen sind genauso wie regelmäßige Elterngespräche ein Versuch, mit den Eltern und Angehörigen intensiv zusammenzuarbeiten, Konflikte aufzulösen und eine Perspektive zum gemeinsamen Wohnen zu finden. Der Rückzug in die Familie ist ein zentrales Ziel der Hilfen, lässt sich aber in der Praxis nur selten umsetzen, da die Biografien häufig zu belastet sind.

Kleine Schritte vorwärts

Für die Mitarbeitenden der IWG ist es sehr herausfordernd zu erleben, welche gesellschaftlichen Erwartungen an die jungen Menschen, die in der Wohngruppe leben, gestellt werden. Die Erwartungen passen in vielen Fällen nicht zu den persönlichen Ressourcen der jungen Menschen. Für sie ist es zum Beispiel nicht selbstverständlich, die Schule zu besuchen und anschließend für den Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen. Manchmal ist der Schulbesuch für einen Jugendlichen aus psychologischen Gründen nicht günstig, aber die Befreiung von der Schulpflicht gelingt nicht und der Jugendliche wird durch das Androhen von Sozialstunden oder Geldstrafen erneut aus der Bahn geworfen. Diese Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität gilt es in der pädagogischen Arbeit mit Hilfe kleinschrittiger und niedrigschwelliger Unterstützung zu überwinden. Kleine Fortschritte können dann auch wertgeschätzt und den jungen Menschen Erfolgserlebnisse aufgezeigt werden, die ihr Selbstvertrauen fördern.

Nicht selten geraten Betreuer*innen in Situationen, in denen sie einzelnen jungen Menschen nicht adäquat bei ihren Problemen helfen können. Kooperationen mit verschiedenen Institutionen, wie Kliniken, externen Therapeut*innen, Jugendinitiativen oder Beratungsangebote für junge Menschen, sind hierbei von großer Bedeutung, um passgenau unterstützen zu können. Das bürokratische System, eine Überlastung der genannten Institutionen und die Zusammenarbeit mit Akteur*innen im Gesundheitssystem bereiten allerdings oft Schwierigkeiten.

Silvio Illgen, Leiter der Intensivwohngruppe Trampolin, 
Der Kinderschutzbund, Ortsverband Dresden e.V.

Gemeinsames Klettern ist eine stärkende Erfahrung.  | Foto: DKSB OV Dresden e.V.

Ausgabe 23-3

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