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Ein neues Zuhause geben

Pflegeeltern sind für Kinder da, die vorübergehend oder dauerhaft nicht bei ihren leiblichen Eltern leben können. Der Fachdienst Pflegekinderhilfe vom Kinderschutzbund Kreisverband Warendorf begleitet sie.

Es gibt immer wieder Eltern, die aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage sind, die Erziehungsverantwortung im Alltag für ihre Kinder zu übernehmen. Für diese Kinder sind Pflegefamilien eine neue Chance, in einer liebevollen, geborgenen Umgebung aufzuwachsen. Bei dieser anspruchsvollen Aufgabe unterstützen die fünf Mitarbeiter*innen des Fachdienstes Pflegekinderhilfe in Warendorf die Pflegepersonen. Derzeit beraten sie ca. 40 Pflegefamilien mit knapp 50 Pflegekindern. 

Die Pflegekinderhilfe hat zwei Bereiche: Bei der Familiären Bereitschaftsbetreuung (FBB) nehmen Pflegefamilien Kinder kurzfristig und zeitlich begrenzt auf, möglichst nicht länger als sechs Monate. In dieser Zeit wird eine Perspektive für das Kind in Kooperation mit dem Jugendamt und anderen Fachstellen erarbeitet. In der Dauerpflege lebt ein Kind langfristig in einer Pflegefamilie, da die Herkunftsfamilie sich dauerhaft nicht um das Kind kümmern kann. Beim Kreisverband Warendorf gibt es neben dieser sogenannten „allgemeinen Vollzeitpflege“ noch eine Sonderpflegeform: die „Westfälischen Pflegefamilien“. Hier nehmen fachlich qualifizierte oder besonders geeignete Pflegepersonen, Kinder und Jugendliche mit besonderen Entwicklungsschwierigkeiten oder Beeinträchtigungen auf.

Die Mitarbeitenden der Pflegekinderhilfe bereiten Pflegepersonen intensiv auf die Aufgabe als Pflegeeltern vor.  Dazu gehören Gespräche zur Eignungseinschätzung und eine Qualifizierung/Schulung. „Eine enge Begleitung und gute Beratung der Familien ist uns sehr wichtig, daraus entsteht eine vertrauensvolle Beziehung über viele Jahre,“ sagt Sandra Schütte, Fachberaterin Pflegekinderhilfe im Kinderschutzbund Kreisverband Warendorf. „Das Ziel der Pflegepersonen, die ein Kind dauerhaft aufnehmen, ist es, eine Familie zu werden, zusammenzuwachsen – mit allen Schwierigkeiten, die dazugehören. Da ist unsere Begleitung oft sehr wertvoll.“ Neben regelmäßigen Gesprächen mit den Pflegepersonen gibt es auch Veranstaltungen und Aktionen, bei denen sich Pflegeeltern austauschen können.

Ein weiteres wichtiges Element der Arbeit sind Einzelkontakte zu den Kindern. „Wir beziehen auch die Kinder mit ein und beteiligen Sie an den Entscheidungen. Wir wollen zum Beispiel wissen, was die Kinder in Hilfeplangesprächen sagen,“ sagt Sandra Schütte. Auch für die Pflegekinder gibt es die Möglichkeit, sich in einer Kindergruppe regelmäßig zu treffen und gemeinsam Zeit zu verbringen.

Foto: halfpoint/iStock

Pflegeeltern werden – wie geht das?

Pflegeeltern werden in vielen Regionen gesucht. Menschen, die Interesse daran haben, Pflegekinder aufzunehmen, können sich bei den Jugendämtern oder freien Trägern der Jugendhilfe informieren. Pflegefamilien können Familien mit leiblichen oder Adoptivkindern sein, verheiratete und nicht verheiratete Paare, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften oder Einzelpersonen. Pflegeeltern sollten belastbar, geduldig, einfühlsam und offen für die Probleme der Kinder sein. Durch eine stabile und verlässliche Familiensituation sollten sie den Kindern Sicherheit geben. Auch eine sichere wirtschaftliche Lage und genügend Wohnraum ist nötig. Alle Familienmitglieder, auch leibliche Kinder, müssen einverstanden sein, dass Pflegekinder in die Familie kommen. Pflegeeltern nehmen in der Regel an Eignungsverfahren und Schulungen teil, um sich auf die Aufgabe vorzubereiten. Voraussetzung ist, die leiblichen Eltern zu akzeptieren, so wie sind. Darüber hinaus müssen Pflegeeltern bereit sein, mit dem Jugendamt und Institutionen wie Kita oder Schule zusammenzuarbeiten.

Man kriegt mehr zurück, als man gibt 

Seit 16 Jahren ist Monika Pflegemutter. In ihrer Familie leben eine 19-jährige Pflegetochter und ein einjähriger Pflegesohn dauerhaft.

Warum sind Sie Pflegeeltern geworden?

MONIKA: Ich konnte keine eigenen Kinder bekommen. Mein Mann und ich wollten zuerst ein Kind adoptieren. Im Gespräch mit Trägern sind wir dann auf die Idee gekommen, Pflegeeltern zu werden.

Wie wurden Sie auf diese Aufgabe vorbereitet?

MONIKA: Zuerst haben wir einen Fragebogen ausgefüllt und mussten angeben, was für ein Kind wir uns vorstellen können aufzunehmen und welche Probleme wir ausschließen. Auch unsere Lebensgeschichte mussten wir aufschreiben. Dann haben wir über mehrere Wochen einen Vorbereitungskurs besucht. Darin ging es auch um rechtliche Fragen, zum Beispiel den Umgang mit Jugendämtern oder Besuchskontakten. Das war sehr hilfreich. Zum Schluss erhielten wir die Anerkennung – und zwar auch als „westfälische Pflegefamilie“, das heißt wir können auch Kinder mit Beeinträchtigungen aufnehmen. Seitdem werden wir von der Pflegekinderhilfe und Frau Schütte ganz toll betreut.

Warum sind ihre Pflegekinder zu ihnen gekommen?

MONIKA: Unsere Tochter wurde von ihrer leiblichen Mutter vernachlässigt. Als wir sie mit drei Jahren kennenlernten, lebte sie in einer Bereitschaftspflege. Unser Sohn ist zu uns gekommen, weil seine leiblichen Eltern mit mehreren Kindern überfordert waren. Das erste Treffen mit einem Kind ist sehr emotional. Wenn die Begegnung stimmt, dann ist man zu allem bereit.

Welche Herausforderungen gibt es im Alltag?

MONIKA: Pflegekinder aufzunehmen, bedeutet mehr Aufwand als eigene Kinder groß zu ziehen. Neben den Herausforderungen in allen Lebensphasen, die alle Eltern kennen, muss man Therapietermine und Hilfeplangespräche wahrnehmen. Es muss eine Selbstreflexion da sein. Und man sollte sich immer fragen, warum die Kinder so reagieren wie sie es tun. Die Kinder brauchen aber vor allem Normalität. Man sollte sie nicht immer auf ihre Schwierigkeiten reduzieren, sondern sie emotional begleiten. Ich habe durch die Kinder sehr viel gelernt, vor allem Gelassenheit und Humor.

„Ich bin kein Pflegekind, sondern ein Für-immer-Kind.“ 

Leonie (Name geändert), 19 Jahre alt

Haben ihre Kinder Kontakt mit den leiblichen Eltern?

MONIKA: Unsere Tochter hatte bis zur Volljährigkeit keinen Kontakt zu ihrer leiblichen Mutter. Nun versucht die Mutter über soziale Medien Kontakt aufzubauen. Aber unsere Tochter ist da ganz klar und sagt: Mama, ihr seid meine Eltern.

Zu den leiblichen Eltern unseres Sohnes gibt es Kontakt, sie freuen sich über Fotos und bedanken sich dafür, dass wir ihn aufgenommen haben.

Mit den Kindern muss man offen und ehrlich über die Situation sprechen, natürlich altersangemessen. Oft gibt es keinen freundschaftlichen Kontakt zu den leiblichen Eltern, trotzdem ist eine wertschätzende Haltung ihnen gegenüber wichtig.

Warum ist es eine Bereicherung für Sie, Pflegemutter zu sein?

MONIKA: Für mich ist das die schönste Aufgabe der Welt, bei der ich mit ganzem Herzen dabei bin. Es gibt Höhen und Tiefen, aber das Schöne überwiegt. 

Interview: Johanna Kern, redaktionelle Leitung der Verbandszeitschrift,
Kinderschutzbund Bundesverband

Gemeinsamer Ausflug: Eselwandern mit Pflegefamilien | Foto: DKSB KV Warendorf e.V.

Ausgabe 23-3

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