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Abschied nach 30 Jahren

Nach 30 Jahren als Präsident des Kinderschutzbundes geht Heinz Hilgers in den Ruhestand. In dieser Zeit hat sich Hilgers herausragend für den Schutz und die Rechte von Kindern eingesetzt. Heinz Hilgers geht beruhigt, weil er weiß, dass die anstehenden Aufgaben bei Sabine Andresen in guten Händen sind. Die Mitgliederversammlung ernannte ihn auf den Kinderschutztagen für seine außerordentlichen Verdienste zum Ehrenpräsidenten.

Der Kinderschutzbund vor 30 Jahren: Was war das für ein Verband?

Beim Kinderschutzbund stand vor 30 Jahren vor allem das Thema Schutz vor Gewalt im Vordergrund. Und er hatte auch schon begonnen, über das Thema Kinderarmut zu sprechen. Mit meiner und der Unterstützung anderer ist dann der Leitantrag beschlossen worden „Reiches Land, arme Kinder“.  Hier wurde Armut auch als eine strukturelle Gewaltform anerkannt. Das war eine sehr wichtige Erweiterung im Spektrum der Lobbyarbeit des Kinderschutzbundes.

Lobbyarbeit für Kinder zu machen: politisch warten da nicht die großen Lorbeeren. Was hat Sie motiviert, solange – ganze 30 Jahre – am Ball zu bleiben?

Das ist ganz spannend. Mich hat mal jemand gefragt, ob ich bei meinen Wahlen in der Politik davon profitiere, dass ich mich für den Kinderschutzbund engagiere. Dem habe ich geantwortet: Wenn ich das so betrachte, wäre ich vermutlich erfolgreicher gewesen, wenn ich mich beim ADAC engagiert hätte. 
Und im Ernst: Ich war schon als Jugendlicher in der Jugendarbeit tätig, war Vorsitzender des Kreisjugendausschusses des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Entscheidend aber war natürlich meine Erfahrung als Jugendamtsleiter in Frechen. Das wurde ich schon mit 31 und das hat mich sehr geprägt:  Die Themen Gewalt und Armut von Kindern. Und die Tatsache, wie sehr die Gesetze eine gute pädagogische Arbeit mit Eltern und Kindern behinderten. Das hat dazu geführt, dass ich mich auch in der Lobbyarbeit für die größte und stärkste Kinderschutzorganisation in Deutschland engagieren wollte. 

Worüber haben Sie sich in den vergangenen 30 Jahren richtig freuen können?

Ganz eindeutig über das Recht auf gewaltfreie Erziehung. Dass es auch so und in dieser Formulierung kam: Jedes Kind hat das Recht auf gewaltfreie Erziehung. Dass also nicht nur ein bloßes Erziehungsziel neben vielen anderen formuliert wurde, sondern ein echtes Recht. Darüber habe ich mich sehr gefreut. 
Mit tiefer persönlicher Freude hat mich auch die Unterstützung von Sabine Andresen und der damaligen Bundesgeschäftsführerin Paula Honkanen-Schoberth erfüllt, als der Kinderschutzbund sich mit Vorwürfen der sexualisierten Gewalt im eigenen Umfeld konfrontiert sah. Die Aufarbeitung der Geschehnisse aus den 80er Jahren hat auch unseren eigenen Verband gefordert. Denn natürlich müssen wir an uns selbst die höchsten Maßstäbe anlegen. Dass neben diesen beiden Frauen auch viele andere im Verband mich unerschütterlich unterstützten, dafür bin ich heute noch dankbar – so fordernd es damals auch war.  

Was ist Ihr Wunsch für die Zukunft?

Ich wünsche mir, dass in unserer Gesellschaft erkannt wird, dass jedes Kind Talente hat – ob arm oder reich, behindert oder nicht, Mädchen, Junge oder divers, mit Migrationshintergrund oder ohne. Jedes Kind sollte die Chance haben, diese Talente auch zu entfalten. Für eine Gesellschaft, die so ist, wird sich der Kinderschutzbund weiter einsetzen.

Welchen Rat geben Sie dem Kinderschutzbund mit auf den Weg?

Ratschläge von scheidenden Präsidenten? Die will doch eigentlich niemand hören.

Für die, die doch einen hören wollen, welcher wäre es?

Der Kinderschutzbund ist gut beraten, immer offen gegenüber neuen Ideen zu sein, die uns helfen, Eltern und Kinder zu unterstützen. Und die geeignet sind, Bildungserfolge zu verbessern und Kinderarmut zu verringern. Da sind jede neue Idee und jedes neue Projekt zumindest bedenkenswert. 
Der Kinderschutzbund ist gut beraten, auch für die Lobbyarbeit neue Konzepte zu entwickeln und sie in die Gesellschaft zu tragen. 
Und er ist intern gut beraten, alle notwendigen Diskussionen so zu führen, dass man spürt: Da sind Menschen, die haben eine gemeinsame Idee. Sie schätzen sich und helfen sich gegenseitig. 

Heinz Hilgers

Heinz Hilgers, 75, war von 1993 bis 2023 Präsident des Kinderschutzbundes. Er ist verheiratet, hat drei Söhne und eine Enkeltochter. Der Diplom-Verwaltungswirt war bis 1985 Leiter des Jugendamtes der Stadt Frechen. Von 1989 bis 1999 und von 2004 bis 2009 war er Bürgermeister der Stadt Dormagen. Während dieser Zeit nahm Hilgers wahr, dass mehr gegen familiäre Gewalt und Kindesmissbrauch getan werden muss und entwickelte 2006 das „Dormagener Modell“. Das Modell sieht vor, dass Familien direkt nach der Geburt eines Kindes Besuch von einem*r Sozialarbeiter*in bekommen, die ein Babybegrüßungspaket übergeben und Unterstützung anbieten. 
Heinz Hilgers hat sich seit Jahren für die Kindergrundsicherung stark gemacht. Für sein langjähriges Engagement für Kinder wurde er 2020 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Seit Mai 2023 ist Prof. Dr. Sabine Andresen Nachfolgerin von Heinz Hilgers als Präsidentin des Kinderschutzbundes. | Foto: Die Hoffotografen GmbH

Ausgabe 23-2

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