
Klimaschutz ist Kinderschutz
Die Klimakrise ist die größte Bedrohung unserer Zeit und auch eine Kinderrechte-Krise. Wer heute nicht oder nur zaghaft handelt, bürdet den Kindern von heute und morgen immer größere Lasten auf und gefährdet die Kinderrechte. Der Kinderschutzbund nimmt deshalb den Klimaschutz in den Blick und unterstreicht: Klimaschutz ist Kinderschutz.
Bei keinem anderen Thema dieser Tage klaffen wissenschaftliche Erkenntnis und politisches Handeln weiter auseinander als beim Klimawandel: Während die Forschung einhellig immer schriller vor einer kaum noch vermeidbaren Katastrophe warnt, feilschen Politiker allenfalls um kosmetische Kurskorrekturen, als hätten sie alle Zeit der Welt. Dabei genügt ein Blick in die Nachrichten, um zu erkennen, dass jedes Zögern die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen düsterer gestaltet.
Seit gut vier Jahren handeln Regierende gegen ein Urteil des höchsten deutschen Gerichts. Das Bundesverfassungsgericht hat schon im März 2021 gesagt, niemand dürfe es sich heute mit dem Kampf gegen den Klimawandel bequem machen, weil auf diese Weise nachfolgenden Generationen radikale, ihre Freiheit bedrohende Einschnitte aufgebürdet werden. Kinder müssen die Versäumnisse der Eltern und Großeltern ausbaden.
Recht auf eine gesunde Umwelt
Was die Karlsruher Richter*innen verkündet haben, wurde nur ein halbes Jahr später von den Vereinten Nationen als Resolution verabschiedet: Das Recht auf eine gesunde Umwelt ist ein grundlegendes Menschenrecht. Der Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen geschieht in der Verantwortung für künftige Generationen.
So hat es auch der Kinderrechteausschuss der Vereinten Nationen formuliert, der 2023 seine Allgemeine Bemerkung Nr. 26 „Über Kinderrechte und Umwelt, mit dem Schwerpunkt auf dem Klimawandel“ vorgelegt hat: „Die dreifache weltweite Krise aus Klimanotstand, Verlust der Biodiversität und allgemeiner Umweltverschmutzung (…) ist eine drängende systemische Bedrohung für die Rechte der Kinder weltweit.“
Kinder und Jugendliche sind als vulnerable Gruppe den Auswirkungen der Klimakrise und den Umweltveränderungen besonders schutzlos ausgesetzt – und müssen am längsten mit den Folgen leben. Das trifft auch die Kinder und Jugendlichen in Deutschland – und nicht erst in Zukunft, sondern schon heute. Es trifft sie unmittelbar, weil durch Hitze chronische Erkrankungen, Allergien und Asthma zunehmen, weil Schwangere, Früh- und Neugeborene sowie Kleinkinder zu den besonders gefährdeten Risikogruppen gehören. Neuartige Krankheitserreger wie das West-Nil-Virus tauchen bei uns auf, andere wie die von Zecken übertragenen Erkrankungen Borreliose und Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) breiten sich aus.
Die meisten Kinder und Jugendliche haben Angst vor den Folgen des Klimawandels. Kinderärzt*innen berichten von psychischen Belastungen. Kinder und Jugendliche nehmen durch Nachrichten, Videos und die Reaktionen der Erwachsenen wahr, was die Klimakrise bedeutet: Bilder von überfluteten Städten, brennenden Wäldern und vertrockneten Ernten strömen über die Bildschirme und beängstigen. Immer wieder trifft es auch ihre Peers in Deutschland: Wie bei der Flutkatastrophe im Ahrtal, bei der Kinder starben, viele ihre Angehörige, Nachbarn, Freunde verloren, mit den Heimatorten auch ihre Schulen, Kitas und Spielplätze zerstört wurden.
Keine Kinderrechte ohne Klimaschutz
Der Kinderschutzbund widmet sich der Durchsetzung der Kinderrechte in Deutschland. Sie sind nach Ansicht des Kinderrechteausschusses fast alle mit dem zentralen Menschenrecht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt verbunden. Die Klimakrise verschärft Armut, Gewalt und soziale Ungleichheit. Klimaschutz ist daher auch ein soziales Thema. Ein gutes Aufwachsen von Kindern ist nur noch zusammen mit Klimaschutz zu denken.
Kinderrechte und Umweltschutz begünstigen und stärken sich wechselseitig, sagt der Ausschuss: Während Umweltzerstörung und Klimakrise die Wahrnehmung der Kinderrechte beeinträchtigen, kann eine rechtskonforme und deshalb ambitionierte Umweltpolitik durch die Anhörung und Einbindung von Kindern ausgelöst und gestärkt werden.
Das Kinderrecht auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, auf Information und Bildung, Beteiligung und Berücksichtigung nimmt beim Kampf gegen den Klimawandel eine zentrale Rolle ein. Generationengerechtigkeit bedeutet also: Kinder haben ein Recht auf die Verwirklichung ihrer Menschenrechte in größtmöglichem Umfang.
Aktiv werden
Aus diesen Erkenntnissen und Festlegungen lassen sich zahlreiche Forderungen ableiten, denen der Kinderschutzbund Nachdruck verleiht. Eine kleine Auswahl aus der Allgemeinen Bemerkung Nr. 26, die deutlich macht, wie der Kinderschutzbund auf allen Ebenen aktiv werden kann:
• Bei der Verabschiedung jeglicher Umsetzungsmaßnahmen sollte ein Verfahren die vorrangige Berücksichtigung des Kindeswohls sicherstellen.
• Kinder bezeichnen Umweltfragen als sehr relevant für ihr Leben. Ihre Stimmen haben für den Umweltschutz eine globale Kraft. Mit ihren Ansichten bringen sie wichtige Perspektiven und Erfahrungen in die Entscheidungsfindung über Umweltbelange auf allen Ebenen ein.
• Die Entwicklung von Kindern ist mit ihrer Umwelt eng verflochten. Eine gesunde Umwelt wirkt sich dabei positiv aus, etwa durch die Möglichkeiten für Aktivitäten im Freien und mit der Natur, einschließlich der Tierwelt, zu interagieren und in ihr zu spielen.
• Investitionen in Leistungen für Kinder können die generellen Umweltrisiken, denen Kinder weltweit ausgesetzt sind, erheblich verringern.
• Bildung stellt einen der Eckpfeiler eines kinderrechtsbasierten Umweltschutzes dar. Kinder haben betont, dass Bildung für den Schutz ihrer Rechte und der Umwelt entscheidend ist, sie sensibilisiert und auf Umweltschäden vorbereitet.
• Die Umwelterziehung geht über die formale Schulbildung hinaus und umfasst ein breites Spektrum an gelebten (Lern-)Erfahrungen. Entdeckerische, zwanglose und praxisbetonte Methoden wie das Lernen im Freien sind bevorzugte Vermittlungsmethoden für dieses Bildungsziel.
• Die Ansichten der Kinder sollten bei öffentlichen Planverfahren im ländlichen wie im städtischen Raum angemessen berücksichtigt werden. Im Mittelpunkt sollte die Schaffung einer Umgebung stehen, die ihr Wohlbefinden fördert.
Der Kinderschutzbund muss sich vielfältig auf die Klimakrise einstellen: Als umsichtiger Träger von Einrichtungen, als Vermittler von Wissen, als Wegbegleiter in die Natur, als Vorbild auf allen Ebenen. Mit unserem Beschluss zum Klimaschutz auf der Bundesmitgliederversammlung in Saarbrücken haben wir uns deutlich sichtbar auf den Weg gemacht.
Joachim Türk, Vizepräsident des Kinderschutzbundes
Der Klimawandel trifft Europa besonders stark. Daten des EU-Klimadiensts Copernicus zeigen schon länger: Kein Kontinent erwärmt sich schneller. (ZDF, 15. April 2025)
Der Klimawandel ist zutiefst ungerecht. Obwohl Kinder für den Anstieg der globalen Temperaturen nicht verantwortlich sind, werden sie den höchsten Preis dafür zahlen. (UNICEF-Exekutivdirektorin Henrietta Fore, August 2021)

