
Kindernot braucht Lösungen
Der Kinderschutzbund Bremen bietet das Gewaltpräventionsprojekt „Kindernot braucht Lösungen“ in dritten und vierten Klassen an Grundschulen an. Mit Herz und Haltung sensibilisiert das Angebot Kinder dafür, ihre Gefühle wahrzunehmen und sich in schwierigen Situationen Unterstützung von Vertrauenspersonen zu holen.
„Mein Kind hat noch nie so viel von der Schule erzählt wie von diesem Projekt“, berichtet eine Mutter. Das Angebot zur Gewaltprävention soll Kinder im Grundschulalter stärken und die Vertrauensbeziehungen zu Erwachsenen in ihrem Umfeld fördern. Deswegen sind neben Kindern der 3. oder 4. Klasse, Lehrkräfte und Eltern oder andere sorgeberechtigte Personen wichtige Zielgruppen des Projekts. Finanziert wird das Projekt von der Senatorin für Kinder und Bildung und durch Spenden.
Gewaltprävention beginnt mit Vertrauen
Auf einem Elternabend werden die Eltern über den Ablauf des Projekts und die Angebote des Kinderschutzbundes informiert. Außerdem werden sie zu einer Bilder-Ausstellung eingeladen. Die Kinder hatten die Aufgabe, Bilder zu malen zur Frage „Wie können meine Eltern mir helfen, wenn ich traurig bin?“. Für die Eltern sollen die nicht-personalisierten Bilder einen Schatz an Ideen darstellen, wie sie ihr Kind unterstützen und trösten können.
Der Seelenvogel – Sprechen über Gefühle
Mit den Kindern finden an zwei Tagen Einheiten statt. Zu Beginn sprechen wir anhand des Buches „Der Seelenvogel“ von Michael Snunit über Gefühle.

„In der Seele, in ihrer Mitte, steht ein Vogel
auf einem Bein.
Der Seelenvogel. Und er fühlt alles,
was wir fühlen.“
Ein zentrales Element dieser ersten Einheit ist die Einführung des „Klassen-Seelenvogels“, mit dem die Kinder ihre eigene Gefühlslage sichtbar machen können. Auf dem Seelenvogel sind unterschiedliche Gefühle aufgeschrieben. Zusätzlich gibt es das Feld „Ich brauche Hilfe“. Jedes Kind erhält eine Klammer mit dem eigenen Namen. Damit kann es sich an das Gefühl, das gerade am stärksten spürbar ist, anklammern. Der Seelenvogel bleibt in der Klasse und kann so jeden Tag ein Spiegel der Gefühle der Kinder sein.
Gewalt und Hilfe holen
Anschließend spielen wir eine kurze Theaterszene, in der eine Gewaltsituation auf dem Schulweg dargestellt wird. Eine jugendliche Person bedroht ein Grundschulkind, um Geld zu bekommen. Am nächsten Tag soll das Kind mehr Geld mitbringen und es niemandem weitersagen. Mit großer Leidenschaft sammeln die Kinder Ideen, wie das betroffene Kind unterstützt werden kann. Wenn manchmal gewaltvolle Lösungen vorgeschlagen werden, arbeitet die Klasse meist als Korrektiv. Gemeinsam stellen wir fest, dass die Angst mit Gegengewalt nicht weg geht. So fördert das Projekt den Gedanken, dass jede Person immer wieder Hilfe benötigt und definiert dabei die Entscheidung, sich Unterstützung und Hilfe zu organisieren, als Ausdruck von Stärke. Die Wahrnehmung von Stärken und Ressourcen soll gefördert und Unterstützungssysteme erkannt und genutzt werden. Am meisten Spaß bereitet den Teilnehmer*innen die gesammelten hilfreichen Ideen auszuprobieren. Mit Unterstützung der Kinder wird das Theaterstück zu einem guten Ende geführt.

Gute und schlechte Geheimnisse
In der zweiten Einheit sprechen wir mit den Kindern über den Unterschied zwischen Petzen und Hilfe holen und üben gute und schlechte Geheimnisse zu unterscheiden.
„Gute Geheimnisse sind mit
angenehmen Gefühlen verbunden
und schlechte Gefühle
mit unangenehmen.“
In Kleingruppen sprechen wir dann anhand mitgebrachter Beispiele über Geheimnisse und was diese mit Gefühlen zu tun haben. In dieser Übung machen wir regelmäßig die Erfahrung, dass Kinder, wenn man mit ihnen über Gewalt ins Gespräch geht, sehr schnell anfangen, von eigenen Gewalterfahrungen zu berichten. Wird während des Projekts von Kindern oder Erwachsenen von Gewalt berichtet, besteht die Möglichkeit begleitender Angebote. Wir bieten beispielsweise Einzelgespräche an, um intensiver und in vertrauter Atmosphäre über Sorgen und Probleme ins Gespräch zu kommen. Ziel ist es, dass die hilfesuchende Person einen Lösungsweg findet, wie sie mit ihren Nöten umgehen und wer sie auf diesem Weg begleiten kann.
Vertrauenspersonen
Die Kinder malen ihre persönlichen Vertrauenspersonen anschließend auf. „Vertrauenspersonen macht aus, dass sie zuhören, einen vielleicht in den Arm nehmen, nicht gleich schimpfen, auch wenn man selbst mal was Dummes gemacht hat und Ideen haben, wie es mir besser geht.“
Uns ist wichtig, dass am Ende jedes Kind mindestens eine Vertrauensperson benennen kann. Zum Abschluss stellen wir die Nummer gegen Kummer vor – als eine weitere Möglichkeit, über Sorgen zu sprechen. Wir regen auch an, die Nummer mal auszuprobieren und zu testen, ob die Leute dort nett sind. So kann die Hemmschwelle für einen Anruf in Not gesenkt werden.
Wertschätzung von den Eltern
Ein gemeinsamer Eltern-Kind-Nachmittag schließt das Projekt ab. Nach einer kurzen Wiederholung der Inhalte des Projekts haben die Eltern die Aufgabe, zwei Fragen zu beantworten: „Was gefällt mir an meiner Familie?“ und „Was gefällt mir an meinem Kind besonders gut?“ Auch wenn manche Eltern die Beantwortung der Fragen als zu privat empfinden, ist es besonders für die Kinder immer ein wertvoller Moment, positive, bestärkende Worte von ihren Eltern zu hören. Wir können oft beobachten, wie die Kinder danach körperliche Nähe zu ihren Eltern suchen.
„Und wenn uns jemand in den Arm nimmt, wird der
Seelenvogel in uns größer und größer, bis er uns fast
ganz ausfüllt. So gut geht es ihm dann.“
Mit einem Spiel und feierlichen Abschluss ist das Projekt dann für die Kinder und ihre Eltern beendet.
Ein Projekt, das Spuren hinterlässt
Im Nachgespräch mit den Lehrkräften können wir Beobachtungen über Schulklima, Lehrkräfte oder Schüler*innen teilen und sicherstellen, dass alle angemessen versorgt sind. Die Lehrkräfte haben auch die Gelegenheit, uns Feedback zu geben. Viele melden uns zurück, dass das Projekt das Klassenklima nachhaltig verbessert hat. Oft sprechen uns Kinder nochmal auf dem Schulhof an und fragen: „Wann kommt ihr wieder?“ Dass das Projekt in Erinnerung bleibt, liegt bestimmt auch an den vielen positiven Gefühlen, die durch die Inhalte bestärkt werden. Am Ende des Eltern-Kind-Nachmittages geben wir den Kindern die Idee mit auf den Weg, auch ihren Eltern zu sagen, was sie an ihnen mögen. Probieren Sie es doch auch mal aus: Was gefällt Ihnen an ihrer Familie gerade besonders gut?
„Manche Leute hören den Seelenvogel oft, manche
hören ihn selten. […] Deshalb ist es gut, wenn wir auf den Seelenvogel horchen, der tief, tief in uns ist.
Vielleicht spätabends, wenn alles still ist.“
Lillemor Kuht, Yann Fingerhut, Henning Lueken und Julia Sweers,
Schulprojekt: Kindernot braucht Lösungen,
Kinderschutzbund Landesverband Bremen

