
Gut aufwachsen im Ganztag
Der Kinderschutzbund begrüßt den Ausbau der Betreuungsangebote für Grundschulkinder, der durch den Rechtsanspruch vorangetrieben wird. Mehr und bessere Betreuung trägt entscheidend dazu bei, Kindern ein gutes Aufwachsen zu ermöglichen.
Ganztägige Bildung, Erziehung und Betreuung fördern soziale, kulturelle und gesellschaftliche Teilhabe und verringern Bildungsungleichheit. Besonders für Kinder in Armut bietet ein solches Angebot dringend benötigte Unterstützung außerhalb des Elternhauses – diskriminierungsfrei und umfassend. Für diese Kinder ist zudem eine gesicherte und gesunde Mittagsverpflegung essenziell, die über eine qualitativ hochwertige Ganztagsbetreuung gewährleistet werden kann.
Freiräume statt institutionalisierter Kindheit
Neben vielen positiven Aspekten birgt ganztägige Betreuung die Gefahr einer „institutionalisierten Kindheit“, in der Kinder und Jugendliche ausschließlich in von Erwachsenen gesteuerten Strukturen aufwachsen. Eigenständige Aktivitäten und Beziehungen zu Gleichaltrigen dürfen dabei nicht zu kurz kommen. Ganztagsangebote müssen daher den Entwicklungsbedürfnissen der Kinder entsprechen. Sie brauchen Zeit für Spiel, Ruhe, Sport und Projekte. Freiräume, die Kinder selbst gestalten, sind unverzichtbar. Ältere Kinder und Jugendliche benötigen Orte, die sie als ihre eigenen begreifen – ohne Kontrolle, ohne Zweck. Sie sollten selbst entscheiden, welche Angebote sie nutzen und diese aktiv mitgestalten können. Für Jugendliche bedeutet das auch, eigene Projekte zu entwickeln und umzusetzen. Ganztagsbetreuung darf nicht auf Beaufsichtigung oder eine Verlängerung des Schulunterrichts reduziert werden.
Qualität durch Kooperation und Vielfalt
Ganztagsangebote sollten nicht allein in der Hand der Schulen liegen. Um die unterschiedlichen Interessen der Kinder zu berücksichtigen, ist eine enge Zusammenarbeit mit freien Trägern, Vereinen und anderen Akteuren im Sozialraum notwendig. Diese Kooperation ermöglicht vielfältige Angebote, die besser auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder eingehen. Zudem erweitert sie die Erfahrungsräume der Kinder und stärkt das Zusammenspiel von Schule, Jugendhilfe und weiteren Partnern. Wichtig ist dabei eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe, bei der Schulen nicht allein bestimmen, sondern alle Beteiligten gleichberechtigt agieren.

Bedarfsorientierte Planung vor Ort
Eine realistische Bedarfsplanung ist entscheidend. Kommunen sollten die Angebote an den tatsächlichen Bedürfnissen der Kinder ausrichten und dafür ausreichende Ressourcen bereitstellen. Eine enge Verzahnung von Schulentwicklungs-, Kinder- und Jugendhilfe- und Sozialraumplanung ist dabei unerlässlich. Kinder müssen altersgerecht in die Planung und Ausgestaltung einbezogen werden. Der Zugang zu den Angeboten sollte für alle Kinder gleich gut sein – idealerweise kostenfrei oder einkommensabhängig gestaffelt, um finanzielle Hürden zu vermeiden.
Räume für gutes Aufwachsen
Qualitativ hochwertige Ganztagsangebote erfordern geeignete Räume und Flächen, die den Bedürfnissen der Kinder nach Spiel, Ruhe, Bewegung und Kreativität gerecht werden. Neben Schulräumen sollten auch andere Orte im Sozialraum – wie Jugendclubs, Bibliotheken oder Sportvereine – einbezogen werden. Eine bloße Doppelnutzung von Klassenräumen wird den Ansprüchen der Kinder meist nicht gerecht.
Fachkräfte als Schlüssel zur Qualität
Gute Ganztagsbetreuung braucht qualifiziertes Personal, das angemessen bezahlt wird. Multiprofessionelle Teams aus Lehrkräften, sozialpädagogischen Fachkräften und ergänzendem Personal sollten eng zusammenarbeiten. Ehrenamtliche können das Angebot bereichern, dürfen jedoch keine Fachkräfte ersetzen. Ein angemessener Personalschlüssel unter Berücksichtigung der tatsächlichen Fachkraft-Kind-Relation ist essenziell, um die Qualität der Betreuung zu sichern.
Kinderschutz als Grundlage
Kinder und Jugendliche müssen in der ganztägigen Betreuung sicher sein. Geeignete Schutzkonzepte und klare Beschwerdemöglichkeiten sind unverzichtbar. Gerade wenn die Angebote durch Schule und die Kinder- und Jugendhilfe oder Trägervielfalt erbracht werden, ist ein gemeinsames Konzept und Verständnis zum Kinderschutz notwendig. Kinder und Eltern dürfen nicht mit unklaren Zuständigkeiten konfrontiert werden.
Der Kinderschutzbund als Akteur
Der Kinderschutzbund engagiert sich in vielen Bereichen der ganztägigen Betreuung – von Hortangeboten über Freizeitaktivitäten und Hausaufgabenhilfe bis zur Schulsozialarbeit. Vor Ort muss geprüft werden, ob und wie dieses Engagement ausgebaut werden kann. Dabei spielen wirtschaftliche Rahmenbedingungen und der Fachkräftemangel eine Rolle. Trotz aller Herausforderungen bleibt für den Kinderschutzbund klar: Die Interessen, Bedürfnisse und Entwicklungsaufgaben der Kinder und Jugendlichen stehen immer im Mittelpunkt. Alle Angebote müssen sich daran ausrichten.
Konstanze Butenuth, Referentin für präventiven Kinderschutz,
Kinderschutzbund Bundesverband

