Regelmäßige Netzwerktreffen stärken Careleaver. | Foto: Careleaver e.V.

Politik und Praxis

Eine Stimme für Careleaver

Rund 200.000 Kinder und Jugendliche wachsen aktuell nicht bei ihren leiblichen Eltern auf, sondern in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe oder in Pflegefamilien. Junge Menschen, die die Jugendhilfe auf dem Weg in ein eigenständiges Leben verlassen, nennt man Careleaver. Ihr Weg des Erwachsenwerdens unterscheidet sich stark von dem von Gleichaltrigen. 

Während junge Menschen in Deutschland durchschnittlich mit 23,8 Jahren von zu Hause ausziehen, endet die Unterstützung für viele Jugendliche in der Jugendhilfe mit dem 18. Geburtstag. Der Begriff „Careleaver“ stammt aus der englischen Sozialarbeit und bedeutet wörtlich „Fürsorge-Verlasser“. Der Übergang in ein eigenständiges Leben ist für Careleaver oft mit großen Herausforderungen verbunden, die sie im Gegensatz zu Gleichaltrigen allein bewältigen müssen. 

Auf sich allein gestellt

Die Suche nach einer Wohnung, der Umgang mit Geld oder die Planung der Ausbildung – all das müssen Careleaver ohne familiäre Unterstützung bewältigen. Selbst wenn Kontakt zur Herkunftsfamilie besteht, ist dieser oft eher belastend als hilfreich. In der Jugendhilfe gibt es Gleichaltrige mit ähnlichen Erfahrungen, doch wer diese verlässt, findet sich meist in einem Umfeld wieder, dem solche Herausforderungen fremd sind.

Wer zum Studium oder für eine Ausbildung von zu Hause auszieht, hat oft ein stabiles Auffangnetz – Eltern, bei denen man notfalls wieder einziehen kann. Careleaver hingegen stehen vor ganz anderen Hürden: Sie können meist keine Bürgschaft vorlegen oder eine hohe Kaution zahlen. Die hohen Mieten, die viele nur mit Hilfe der Eltern stemmen können, machen es zusätzlich schwer. Unterstützung auf dem Weg aus der Jugendhilfe bietet der Careleaver e.V.

Ruth Strüder und Daline Raphael sind im Careleaver e.V. aktiv. Bei einem Hearing im Bundestag zum Thema: „Listen to us – Einblicke in die Heimerziehung“ berichteten sie öffentlichkeitswirksam über ihre Jugendhilfeerfahrung. Der Careleaver e.V. macht sich dafür stark, dass überall, wo Entscheidungen getroffen werden, die Careleaver betreffen, nicht nur über Careleaver geredet wird, sondern sie selbst ihre Erfahrungen und Expertise einbringen. | Foto: Careleaver e.V.

Der Careleaver e.V. – eine vielfältige Gemeinschaft 

Seit zehn Jahren arbeitet der Careleaver e.V. erfolgreich daran, eine bundesweite Austauschplattform für Careleaver aufzubauen und sich für die Interessen von Careleavern einzusetzen. Bei jedem Treffen des Vereins gibt es mindestens eine Person, die erzählt, dass sie bis vor Kurzem nicht wusste, was Careleaver sind – geschweige denn, dass sie selbst dazugehört.

Der Verein entstand vor über zehn Jahren aus einem Forschungsprojekt. Wissenschaftler*innen der Uni Hildesheim luden Careleaver aus ganz Deutschland zu regelmäßigen Treffen ein, um ihre Bildungswege ohne elterliche Unterstützung zu untersuchen. Dabei merkten die Teilnehmenden, wie gut ihnen der Austausch tat – und beschlossen, dies fortzuführen.

Der Careleaver e.V. veranstaltet jeden Oktober einen bundesweiten Benefizlauf für Careleaver. Ziel ist es, mit den Spenden das Treffen über die Feiertage zu finanzieren – für Careleaver, die keinen guten Ort für Weihnachten haben. Aber auch, den Begriff Careleaver bekannter zu machen. | Foto: Careleaver e.V.

Seitdem hat sich der Verein stetig weiterentwickelt. Heute ist er so vielfältig wie seine Mitglieder: Neben Einzelmitgliedern gehören auch Institutionen der Jugendhilfe dazu. Ehrenamtliches Engagement bleibt eine zentrale Säule, denn alle Treffen werden von ehrenamtlichen Teams mitorganisiert. Mittlerweile gibt es aber auch sechs Hauptamtliche, die sich drei Vollzeitstellen teilen, um die zahlreichen Aufgaben zu bewältigen.

Für einige ist der Verein vor allem ein politisches Sprachrohr, das Forderungen an die Politik stellt. Andere schätzen ihn als soziale Plattform für Austausch. Wieder andere suchen Unterstützung in Notlagen oder nutzen den Notfallfonds. „Für mich ist der Careleaver e.V. eine tolle Plattform mit wunderbaren Menschen, die gemeinsam ihre Stimme erheben und Veränderungen in der Kinder- und Jugendhilfe anstoßen. Diese Veränderungen sind dringend nötig“, sagt der Vereinsvorsitzende Karn Born. Jette Klar, bis vor kurzem seine Stellvertreterin, ergänzt: „Für mich ist der Verein ein sicherer Raum, in dem Themen angesprochen werden können, die andere in ihren Familien besprechen. Außerdem versucht er, Lücken zu schließen, die das Jugendhilfesystem hinterlässt, wie mit dem Notfallfonds.“ 

Was bietet der Careleaver e.V.?

Der Careleaver e.V. ist die bundesweite Interessenvertretung für Careleaver. Wir sind politisch aktiv, Mitglied in verschiedenen Gremien und arbeiten eng mit Trägern der Kinder- und Jugendhilfe zusammen. Wir bieten Beratung und einen Notfallfonds, der in finanziellen Engpässen hilft.

Durch regelmäßige Netzwerktreffen und Workshops bieten wir die Möglichkeit, andere Careleaver kennenzulernen und sich bundesweit untereinander auszutauschen und zu vernetzen. In Chatgruppen bleibt der Kontakt auch zwischen den Treffen bestehen. Über unsere Website und den Newsletter informieren wir über wichtige Themen. Mitglieder bringen ihre Erfahrungen regelmäßig auf Fachtagen ein, wie zuletzt auch bei einem Fachtag des Kinderschutzbundes in Frankfurt. 

So erreichen Sie den Careleaver e.V.

E-Mail: info@careleaver.de
Telefon: 0761 45669242
Instagram: careleaver_deutschland


Ausgabe 25-1

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