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Politik und Praxis

Mehr Lesespaß für Kinder

An fünf Grundschulen unterstützt der Kinderschutzbund Ortsverband Burgdorf Kinder beim Lesen lernen. In dem Projekt sind mehr als 40 ehrenamtliche Lesementor*innen aktiv, die Kinder und Jugendliche individuell fördern und das Interesse am Lesen wecken – mit viel Spaß und ohne Leistungsdruck.

Wir wollen Kinder für das Lesen begeistern! Diese Idee hatte der Kinderschutzbund Burgdorf bereits 2003. Mit fünf interessierten Ehrenamtlichen begann das Projekt „Leseförderung“ in Kooperation mit dem Verein MENTOR Hannover. Das schlechte Abschneiden bei der Pisa-Studie 2003 war der Auslöser, sich für die Verbesserung der Lesekompetenz von Kindern einzusetzen.

An der Leseförderung in Burgdorf können Schüler*innen der ersten bis vierten Klasse kostenlos teilnehmen. Das Angebot gibt es an der Ingo-Siegner-Grundschule Burgdorf, der Gudrun-Pausewang-Grundschule, der Astrid-Lindgren-Grundschule, der Grundschule Otze und der Waldschule Ehlershausen. Gelesen wird ausschließlich in Räumen der Schulen. „Wir bieten Lesetraining einmal in der Woche in einem Eins-zu-eins-Verhältnis für 30-45 Minuten pro Kind an“, sagt Ina von Riegen, eine der zwei ehrenamtlichen Koordinatorinnen des Projektes.

An jeder Grundschule gibt es eine Lehrkraft, die Ansprechpartner*in für die Lesementor*innen ist. Die Fachlehrer*innen melden, wenn ein Kind Leseförderung braucht. Dann wird mit den Lesekoordinatorinnen besprochen, ob Kapazitäten für die Leseunterstützung frei sind. Die Eltern geben ihr schriftliches Einverständnis und schließen sich dem Vertrag zwischen Schule und MENTOR Hannover an.

Eine Schulstunde Zeit ist notwendig, um mit den Kindern sinnvoll zu arbeiten. „Wenn die Kinder am frühen Nachmittag in die Leseförderung kommen, sind manche schon müde. Dann kann man manchmal nicht sofort mit dem Lesetraining starten, sondern beginnt mit Gesprächen über den Tag“, erzählt Ina von Riegen. Oft lesen die Mentor*innen dem Kind erst einmal vor. Dann üben sie das Lesen, sprechen über den Text oder erklären fremde Wörter. „Zum Schluss darf eine Spieleinheit nicht fehlen. Wir spielen zum Beispiel Uno oder Vier gewinnt – nur zum Spaß des Kindes.“

Bei einem Schulfest in Ehlershausen werben Ina von Riegen und Katrin Wenzel gezielt neue Lesementor*innen an. | Foto: DKSB Burgdorf e.V.

Zeit, nur für mich  

Die meisten Kinder nehmen mindestens ein Schuljahr an der Leseförderung teil. Die Lesementor*innen kennen „ihre“ Kinder gut und bauen im Laufe der Zeit ein Vertrauensverhältnis zu ihnen auf. Sie entscheiden, was das Kind gerade braucht. Wortschatztraining, Hilfe beim Spracherwerb oder einfach nur ein Gespräch. „Das Kind soll spüren, da kommt jemand in die Schule, der nur für mich Zeit hat“, erzählt Ina von Riegen. „Wir grenzen uns deutlich vom Schulunterricht ab: Wir machen keine Nachhilfe und keine Hausaufgaben mit den Kindern. Bei uns gibt es keine Benotung oder Wertung, dadurch fällt ein Großteil des Drucks weg“, sagt Katrin Wenzel, die das Projekt seit drei Jahren gemeinsam mit Ina von Riegen koordiniert.

In Burgdorf gibt es inzwischen 44 Lesementor*innen. Etwa alle vier Wochen treffen sie sich für 90 Minuten. „Dabei lernen sich die Lesementor*innen kennen, tauschen sich aus oder stellen Fragen“, sagt Ina von Riegen. „Wir geben bei den Treffen auch Informationen weiter, stellen Materialien zur Verfügung oder diskutieren relevante Themen.“ Die Treffen organisieren Ina von Riegen und Katrin Wenzel, damit ihre Mentor*innen sich fachlich und menschlich sicher fühlen: „Unsere Lesementor*innen sind eine konstante Gruppe, viele sind schon zwischen zehn und 15 Jahren dabei. Der Altersdurchschnitt liegt bei 67 Jahren.“

Mehr Ehrenamtliche werden dennoch gesucht, denn immer mehr Kinder brauchen Unterstützung beim Lesen lernen. Neue Lesementor*innen erhalten ein eintägiges Einführungsseminar bei MENTOR Hannover, das die pädagogische und organisatorische Grundlage bietet.

Mit kurzen spannenden Texten lässt sich das sinnentnehmende, flüssige Lesen gut üben.

Die Kinder abholen  

Die Lesementor*innen legen großen Wert darauf, dass die Kinder mitentscheiden, was sie lesen möchten. Sie gehen mit den Kindern in die Schulbücherei und berücksichtigen Bücher, Comics oder Zeitschriften, die die Kinder selbst mitbringen. „Wir haben festgestellt, dass das Bücher lesen im klassischen Sinne immer schwieriger wird, weil für viele Kinder die Textmenge in einem Buch eine große Hürde ist. Man kann aber auch mit kurzen Geschichten die Lesemotivation wecken“, berichtet Ina von Riegen. Dafür nutzen die Lesementor*innen Übungshefte zum Lesetraining und Leseverständnis mit kurzen Texten und Fragen zum Gelesenen. „Viele Kinder kennen die Technik des Lesens, aber sie verstehen nicht, was sie lesen. Das sinnerfassende Lesen ist für viele schwierig.“

Wenn die Kinder nach einiger Zeit beim Blättern durch die Übungshefte feststellen, was sie schon alles gelesen haben, macht sie das stolz. „Von den Lehrer*innen hören wir oft, dass sich die Lesekompetenz und das Selbstbewusstsein der Kinder verbessert haben. Sie lernen, sich im Unterricht zu äußern und schämen sich für ihren Trainingsrückstand beim Lesen nicht mehr“, erzählt Katrin Wenzel: „Es ist wichtig, dass die Kinder sich etwas zutrauen.“

Manchmal werden Kinder gehänselt, weil sie zum Lesetraining gehen und zeitgleich zum Beispiel nicht an einer Computer-AG teilnehmen können. „Aber nach dem zweiten oder dritten Mal stehen oft die Freunde des Kindes bei uns und fragen, ob sie auch an der Leseförderung teilnehmen können. So wertschätzen die Kinder unser Angebot auf ihre Art“, sagt Ina von Riegen. Und für die Lesementor*innen ist die Rückmeldung der Kinder, dass sie gerne kommen, der schönste Lohn für ihre ehrenamtliche Arbeit. 


Ausgabe 24-4

Schwerpunkt

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Politik und Praxis

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