Die Kinderbücher und Übungshefte für das HIPPY-Programm wurden von der IMPULS Deutschland Stiftung e.V. entwickelt. | Foto: IMPULS Deutschland Stiftung e.V.

Schwerpunkt

Fit für die Schule

Die Familie ist der erste Lernort für Kinder. Genau hier setzt das HIPPY-Programm des Kinderschutzbundes Germersheim an. Im familiären Umfeld werden 4-6-jährige Kinder gezielt auf einen guten Schuleinstieg vorbereitet. Der Kinderschutzbund stellt den Eltern Material zur Verfügung, betreut sie regelmäßig und organisiert Elterntreffen. Die Ergebnisse sind seit Jahren ermutigend.

„Schon wieder nur Puzzlen? Das ist doch langweilig.“ Als ihre Tochter vier Jahre alt ist, merkt Irina Dönmez, dass sie mehr Anregungen braucht. Sie möchte ihr Kind beim Lernen unterstützen und sucht in Germersheim gezielt nach Angeboten. Dabei stößt Irina Dönmez auf das Programm HIPPY beim Kinderschutzbund. HIPPY steht für Home Interaction for Parents and Preschool Youngsters. Eltern erhalten durch das Programm Anregungen, wie sie mit ihren Kindern zuhause spielen und lernen können. „Unser Ziel ist es, gute Startbedingungen zu schaffen, sodass wir allen Kindern einen guten Einstieg in die Schule ermöglichen,“ erklärt Natascha Wollani-Becker, Koordinatorin des Projektes beim Kinderschutzbund. Das Programm wurde von der IMPULS Deutschland Stiftung e.V. entwickelt und wird von freien Trägern, Verbänden, Organisationen und Vereinen in mehr als 94 Orten in Deutschland angeboten. Es richtet sich insbesondere an Familien mit Migrationshintergrund. Durch das Programm wird der Deutschspracherwerb der Kinder gefördert und dabei die Muttersprache(n) der Familien einbezogen. Familien können maximal zwei Jahre an dem Programm teilnehmen. Im Kinderschutzbund Germersheim arbeiten vier Mentor*innen, die die Sprachen Deutsch, Russisch, Türkisch, Arabisch, Englisch, Französisch, Marokkanisch und Libanesisch abdecken. Derzeit nehmen rund 30 Familien aus Germersheim und Sodernheim an dem Programm teil.  

Natascha Wollani-Becker koordiniert das HIPPY-Projekt im Kinderschutzbund Kreisverband Germersheim. | Foto: DKSB KV Germersheim

Eltern-Kind-Beziehung stärken  

Irina Dönmez hat das HIPPY-Programm mit ihren drei Kindern mitgemacht: „Ich war begeistert, weil HIPPY so abwechslungsreich war und alles nach Hause gebracht wurde. Alle Bereiche wurden gefördert – nicht nur die Sprache, sondern zum Beispiel auch die Fein- und Grobmotorik. Ich habe festgestellt, das macht uns Spaß und ich habe meine Tochter auch besser kennengelernt. Manche Sachen konnte meine Tochter gut, manche konnte sie nicht so gut.“ Gemeinsam entdeckten sie die Bedürfnisse und Fähigkeiten des Kindes und konnten sie spielerisch verbessern. „Durch HIPPY habe ich gelernt, dass es besser ist, die Sprachen zu trennen. Ich habe dann mit meinen Kindern Russisch gesprochen statt Deutsch und Russisch gemischt. So lernten die Kinder schneller. Sie wussten auch, wo sie welche Sprache einsetzen“, sagt Irina Dönmez. Durch die Teilnahme an dem Programm haben sich damals auch die Kontakte der Familie in Germersheim verbessert. 

Sprachanlässe schaffen 

Irina Dönmez ist von der positiven Wirkung des Konzeptes überzeugt. Da sie fließend Deutsch, Russisch und Türkisch spricht, wird sie selbst HIPPY-Mentorin beim Kinderschutzbund. Seit nunmehr 11 Jahren unterstützt sie dort andere Familien auf Minijob-Basis. Alle 14 Tage besucht sie die Familien, die sie begleitet, zuhause. Die Eltern erhalten Spiel- und Lernmaterial, die die sprachliche, vormathematische, motorische und emotionale Entwicklung fördern. Das HIPPY-Material besteht aus zwölf Kinderbüchern für zwei Jahre, zu denen jeweils 5 Aktivitätenhefte gehören. Darin werden wesentliche Themen der 4-6-Jährigen auf Deutsch aufgegriffen, wie zum Beispiel die Ich-Identität, Rollen und Anders-sein, Ausgrenzung, Wut und andere Gefühle, Konflikte, Freundschaft, Gesundheit oder die Ablösung von den Eltern. Die Mentor*innen erklären bei den Hausbesuchen die Arbeitsaufträge für die Kinder den Familien. Bei Bedarf können sie jederzeit in die Sprache(n) der Familien wechseln. Die Aktivitätenhefte bieten für fünf Tage in der Woche 20-30-minütige Spiel- und Übungsanregungen. Sprachübungen, Lieder, Bastelanregungen, Experimente sowie Bewegungs- und Entspannungsspiele sind enthalten.

Eltern sollten authentisch sein 

Manchmal sind Eltern verunsichert, welche Sprache sie mit ihren Kindern sprechen sollen, weil sie gesagt bekommen, dass sie zuhause mit ihren Kindern Deutsch sprechen sollen. Irina Dönmez beobachtet, dass viele Kinderärzte auf dem neuesten Stand sind und den Eltern raten, ihre Muttersprache mit den Kindern zu sprechen: „Wenn die Muttersprache gut sitzt, dann kommt die deutsche Sprache eigentlich sehr schnell.“ Den Eltern empfiehlt die Mentorin vor allem einen umfangreichen Wortschatz mit den Kindern aufzubauen, zum Beispiel, indem sie mit den Kindern viele Bücher anschauen. 

Wenn es in den HIPPY-Materialien um Gefühle geht, kommt es oft vor, dass die Eltern das Thema in ihrer Sprache behandeln und die Kinder das Arbeitsheft in Deutsch ausfüllen. Das fällt den Eltern oft leichter und die Kinder können den Wortschatz parallel in beiden Sprachen aufbauen. „Kinder merken, wenn das, was ihre Eltern sagen, nicht so rüberkommt, ihre Eltern nicht echt sind. Dann verlieren sie das Interesse“, weiß Irina Dönmez.

Austausch in Elterntreffen 

Die Hausbesuche in den Familien werden durch wöchentliche Elterntreffen ergänzt. Dort tauschen sich die Eltern aus, besprechen Erziehungsprobleme oder bekommen Informationen – zum Beispiel zum Thema gesunde Ernährung. Jedes Jahr bewerten die Eltern das Programm und geben positive Rückmeldungen. „Viele Eltern sind begeistert, dass sie durch das Programm ihr Deutsch verbessern konnten, andere berichten uns, dass die Bindung zu ihrem Kind besser geworden ist,“ sagt Irina Dönmez: „Ich würde mir wünschen, dass es HIPPY in mehr Städten in Deutschland gibt.“ 
In Germersheim wird das HIPPY-Programm sehr geschätzt – 2023 hat es den Integrationspreis der Stadt bekommen. Bürgermeister Marcus Schaile unterstützt das Projekt seit 16 Jahren: „Wir erhalten nur positive Rückmeldungen, was das HIPPY-Projekt betrifft, nicht nur aus den Schulen, sondern auch schon aus den Kindergärten. Die HIPPY-Teammitglieder leisten eine wirklich hervorragende Arbeit, sie machen nicht nur die am Programm teilnehmenden Kinder fit für die Schule, sondern schaffen es auch, das Interesse vieler Eltern zu wecken, die sich dann häufig im Schulalltag auch engagieren. Genau dieser nachhaltige Erfolg ist für uns unendlich wichtig.“


Ausgabe 24-3

Schwerpunkt

Mehrsprachigkeit

Politik und Praxis

Kinder- und Jugendpolitik

Kinderschutz vor Ort

Mehr aus der DKSB-Praxis

Impressum