Dafür statt dagegen
Der Kinderschutzbund steht für die Kinderrechte und für eine offene und vielfältige Gesellschaft. Mit rechtspopulistischen Einstellungen ist die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen nicht vereinbar. Maria Fichte, Geschäftsführerin des Kinderschutzbundes in Freiberg/Sachsen und Organisatorin im Netzwerk „Freiberg für alle“ kämpft täglich für ein friedliches Miteinander in ihrer Stadt und dafür, die Stimmung in Freiberg ins Positive zu drehen.

Wie beschreiben Sie die Stimmung in Freiberg?
MARIA FICHTE: In diesem Jahr fanden in Sachsen am 9. Juni die Kommunal- und Europawahlen statt, und am 1. September sind die Landtagswahlen. Entsprechend politisiert und polarisiert sind die Debatten. Montagsspaziergänge von einigen wenigen finden weiterhin statt. Die Demos für Demokratie und Vielfalt setzen ein starkes Zeichen dagegen und werden gut besucht. Die hohen Umfragewerte für die AfD machen vielen Menschen Sorge. Gleichzeitig bilden sich neue Bürgerbündnisse, die zur Kommunalwahl antreten und sich für Demokratie einsetzen. Die Wählerlisten für die Kommunalwahlen sind bei den etablierten Parteien umfangreicher als in früheren Jahren. Die Menschen merken, sie wollen und müssen sich für Demokratie einsetzen.
Welche Herausforderungen sehen Sie im ländlichen Raum?
MARIA FICHTE: In Freiberg und im Landkreis Mittelsachsen, in welchem Der Kinderschutzbund Regionalverband Freiberg e.V. seinen Wirkungskreis hat, beeinflusst die lokale Wirtschaft direkt und unmittelbar die Haushaltskassen. Wir bemerken den Sparzwang der Verwaltung. Gleichzeitig stehen wir vor demographischem Wandel, sinkenden Kinderzahlen und einem hohen Fachkräftemangel. Fachkräfte werden überall in Deutschland gesucht, im ländlichen Raum verschärft sich diese Situation, da urbane Räume zum Leben und Arbeiten teilweise bevorzugt werden oder auch über mehr finanzielle Mittel verfügen.

Wie gelingt zivilgesellschaftliches Engagement? Wie wirken Sie daran mit, die Demokratie zu stärken?
MARIA FICHTE: Wir leben in einer Region, in der kritische Haltungen gegenüber der Politik überwiegen. Die Menschen leben teilweise seit Generationen in Dörfern und Gemeinden. Wir bemerken, dass diejenigen, die zuziehen oder wieder zurück in die Region kommen, einen großen Zugewinn für die Gesellschaft darstellen. Sie gehen mit neuen Ideen, anderen Haltungen und Wissen auf die Menschen zu und stellen Bestehendes in Frage. Im Kinderschutzbund mache ich das gerne am Thema Bildung und Erziehung wie auch an der Wirksamkeit der Bundeskampagne „Gewalt ist mehr, als du denkst“ gegen psychische Gewalt an Kindern deutlich. Hier besteht noch großer Handlungsbedarf sowohl bei Eltern als auch bei Mitarbeitenden. Gleichzeitig leben und arbeiten hier unglaublich engagierte Menschen, die sich täglich im Kleinen zivilgesellschaftlich engagieren, sei es für die Nachbarin oder den Geflüchteten. Es gibt eine bestehende Vereinsstruktur, die sich langsam erneuert und verjüngt. Besonders hervorzuheben ist das Netzwerk „Freiberg für alle“. Seit 2019 schafft es Begegnungsformate, organisiert Veranstaltungen und lädt namhafte Personen mit einer Botschaft in volle Festsäle ein. Das Netzwerk hat auch die Demos für Demokratie und Vielfalt organisiert, nachdem die CORRECTIV-Recherchen die Treffen demokratiefeindlicher, rechter Kräfte enthüllt haben.
Auch der Kinderschutzbund leistet seinen Beitrag, indem er an Schulen Demokratie-Projekte initiiert und umsetzt.
Welche Rolle nimmt der Kinderschutzbund in Freiberg ein?
MARIA FICHTE: Der Kinderschutzbund Regionalverband Freiberg e.V. ist mit 130 Mitarbeitenden, 8 Kindertageseinrichtungen, Schulsozialarbeit an vielen Oberschulen der Region, einem aktiven Familienzentrum mit Familienbegleitung und dem Angebot von verschiedensten Präventionsworkshops und Teamtagen an Schulen einer der größeren Träger. Wir versuchen in unserer täglichen Arbeit unseren Beitrag zu leisten, organisieren gemeinsam mit anderen Trägern jährlich den Weltkindertag und beteiligen uns an Familien- und Stadtfesten. Auch halten wir aktiv Kontakt zur Politik und zur Verwaltung, um so für unsere Anliegen einzutreten. Wichtig ist uns auch der sozialräumliche Bezug. Gemeinsam mit anderen Trägern und Vereinen, Kirchen und Moscheen ist mehr für eine vielfältige und offene Gesellschaft zu erreichen.

Foto: Stefan Benkert/DKSB RV Freiberg e.V.
Wie wirken sich rechte Einstellungen auf das Verhalten von Kindern und Jugendlichen aus?
MARIA FICHTE: An den Laternenpfählen in der Stadt und auf den Dörfern sind überwiegend rechte Parolen zu finden. Die vorherrschende Meinung in den Familien der hier lebenden Menschen ist davon gekennzeichnet, dass Begegnung mit Andersdenkenden oder auch Menschen mit Migrationshintergrund einfach fehlt. Das zeigt sich leider auch an den Schulen teilweise sehr deutlich. Mobbing in der Schule und in den sozialen Medien, aber auch verbale Angriffe sind die Folge. Unsere Schulsozialarbeiter*innen wie auch die Kolleg*innen arbeiten mit diesen Kindern und Jugendlichen und helfen ihnen dabei, über ihre Einstellungen nachzudenken. Begegnungsformate wie der Begegnungsmarkt von „Freiberg für alle“ und gut umgesetzte Kampagnen wirken hier aktiv dagegen und entfalten ihre Wirkung. Themenabende und Aufklärungsformate über rechte Verhaltensweisen, Strukturen und Kommunikationsformen sollen die Menschen dabei unterstützen, sich für Demokratie einzusetzen.
Wie kann man vermitteln, dass für ein gutes Aufwachsen aller Kinder und Jugendlichen demokratische Werte wie Toleranz, Respekt und Solidarität unverzichtbar sind?
MARIA FICHTE: Wir können dies nur im täglichen Miteinander vermitteln. Freundlich bleiben, auch wenn dein Gegenüber gerade nicht freundlich sein kann. Lächeln hilft sehr. Die Bäckersfrau freut sich darüber, auch wenn sie zuerst ein grummeliges „Guten Morgen“ geäußert hat. Mit vielen Veranstaltungen, auf denen Menschen sich begegnen können, kann dann noch mehr erreicht werden. Das erfordert viel Kraft und Organisation, die wir als Kinderschutzbund und „Freiberg für alle“ gerne investieren.
Was ist Ihre Vision für ein kinderfreundliches Freiberg?
MARIA FICHTE: Wenn Kinder in einem Freiberg aufwachsen können, indem sie ihre Möglichkeiten und Interessen frei entfalten können, Mitstreiter finden und in Gemeinschaft eine gute Zeit erleben, dann haben wir ein kinderfreundliches Freiberg. Dazu gehören auch genügend Möglichkeiten für die Freizeitgestaltung, interessante Angebote und Musik, Kunst und Kultur. Kinder sind heute weltweit vernetzt und wollen die Möglichkeiten, die der urbane Raum bietet, auch in kleineren Städten vorfinden. Freiberg tut bereits sehr viel dafür. Wir arbeiten daran.
Interview: Johanna Kern, redaktionelle Leitung der Verbandszeitschrift,
Kinderschutzbund Bundesverband